Lust und Leid – und Sarkasmus

Das US-Trio Cigarettes For Sex inszeniert auf seiner 3. LP „X´s“ ein sinnliches Drama.

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24. Juli 2024

Cigarettes After Sex: X´s (Partisan Records)

„Ich missbillige als Arzt wie als Künstler die post-koitale Zigarette des Philisters“, lässt der große russisch-amerikanische Autor Vladimir Nabokov den Protagonisten seines Romans „Ada oder das große Verlangen“ (original viel schöner: „Ada Or Ardor“) feststellen. Greg Gonzalez sieht das drastisch anders: Dass sich eine frühere Freundin nach dem Akt eine anzuzünden beliebte, fand der Sänger, Gitarrist und Songschreiber so anregend, dass er seine Band Cigarettes After Sex nannte.

Die Namenswahl scheint den exorbitanten, in die Milliarden gehenden Streamingzahlen jedenfalls nicht abträglich gewesen zu sein.  Dabei haben Cigarettes After Sex bis heute keine Videos gemacht. Die Plattencover sind durchwegs monochrom; auch von einer durchgetakteten Veröffentlichungsfrequenz ist nichts zu bemerken: 2017 erschien ihr unbetiteltes Debütalbum, 2019 die zweite LP „Cry“ und nun, fünf Jahre danach, X´s“.

So wie der der Bandname verweist auch der Album-Titel auf einschlägige Inhalte und der aus der texanischen Grenzstadt El Paso stammende Gonzalez lässt denn auch keine Wünsche offen. Ist auch das grundsätzliche Thema von „X´s“ die Aufarbeitung einer zerbrochenen Beziehung, so haben sexuelle Szenarien darin jedenfalls eine tragende Bedeutung: Ihre Inszenierungen, ihre Ambientes, und – metaphorisch wieder gut zum Bandnamen passend – die darum herum konsumierten narkotischen Genussmittel. Das Ganze aufgedonnert zu einem großen Drama, aus dem außer Lust und Leid beizeiten auch ein nachgerade tödlicher Sarkasmus tröpfelt: „I listen to the last message that you left / then the voice from the suicide hotline…“

Keine Videos, trotzdem Milliarden Streams: Cigarettes After Sex um Greg Gonzalez (l.) © Ebru Yildiz

Alle musikalischen Signifikanten sind der Sinnlichkeit verpflichtet: Gonzalez´ beinahe androgyner, schwelgerischer Gesang, dessen Suggestionskraft durch einen leichten S-Fehler sogar noch forciert wird. Gleiches leistet das sehr zurückgenommene und doch (vielleicht gerade darum) latent schwüle Gitarre-Bass-Schlagzeug-Spiel.

Wo sich – wie im Titelsong, in „Holding You, Holding Me“ oder „Dark Vacay“ –  solche atmosphärische Zuspitzung  mit hymnischem Pop-Belcanto im Stile klassischer Phil Spector-Produktionen, des „Earth Angel“ von den Penguins, „He´s So Fine“ von den Chiffons oder gewissen Bruce Springsteen-Songs (wie „Badlands“ oder „The River“) trifft, wirft sie Songs mit Ewigkeitsanspruch ab.

Live am 3. November in der Wiener Stadthalle.

Cigarettes After Sex: X´s (Partisan Records)

Alle musikalischen Signifikanten sind der Sinnlichkeit verpflichtet.