Gesund like a Hund
Denglisch kann nicht nur große Kunst produzieren, sondern auch viel Spaß machen, wie Schnallos Album „White Fluffy" beweist.
Wahrscheinlich verdiente Denglisch, die längst nicht mehr babylonische, vielmehr alltagsgeläufige Sprachverwirrung aus Deutsch und Englisch, bereits den Status eines eigenständigen Idioms. Große Kunst – siehe/höre nur „unsere“ Ja, Panik – ist damit bereits geschaffen worden. Aber kaum je hat Denglisch so viel Spaß gemacht wie bei „White Fluffy“ von Schnallo.
Ohne Genierer wird da gleich am Anfang auf Teufel komm raus zusammengepanscht, was einen Reim und Versrhythmus hergibt: „Up and down, so gesund, -sund, -sund / laying on my back like a Hund, Hund, Hund“; „Ch-Ch-Cherry, give me a smile / Ch-Ch-Cherry, machst mich so geil“.
Schnallo richtet sich´s wirklich, wie sie´s braucht.
„White Fluffy“ ist allerdings nicht über die volle Distanz so nonchalant unbekümmert wie es die ersten Songs vorgeben.
Deutschland – USA und retour
Die Sängerin, Songschreiberin und Multiinstrumentalistin Schnallo heißt bürgerlich Kimi Recor, hat in Deutschland das Licht der Welt erblickt und die ersten 12 Lebensjahre verbracht, ist dann in die USA emigriert und hat sich in L.A. als Sängerin und Gitarristin des Dreampop-/Darkwave-Quartetts Dreamings und des eher im Indie-Rock beheimateten Trios Black Flamingo eine gewisse lokale Aufmerksamkeit erarbeitet.
Seit ein paar Jahren lebt Recor in Berlin und verfolgt – in allen Fällen mit dem Mikrophon als basischem Arbeitsgerät – unterschiedliche Projekte: Mit dem Wiener DJ und Produzenten John Tejada betreibt sie das Electronic-Duo Bavaria, dessen technoidem Sound sie mit elegischem Gesang einen interessanten Kontrast entgegensetzt; ihre vierköpfige Formation Kevin kann als lärmiger Electro-Punk-Industrial-Metal-Crossover (oder so ähnlich) bezeichnet werden, während sie unter dem Moniker The Invisibles wieder näher bei Techno und House agiert.
Von einem einzigen (allerdings berückenden) Invisibles-Stück, „Liebe Schokolade“, abgesehen, ist „White Fluffy“ Recors erstes Projekt in Deutsch als Gesangssprache. Was dabei auffällt, ist ein Anhauch von Akzent – ob nun dem jahrzehntelangen Aufenthalt in den USA geschuldet oder bewusst aufgesetzt. Er verleiht jedenfalls Recors Gesang einen gewissen selbstbewussten Charme, passt aber auch zur Ausstrahlung der fast ausschließlich elektronisch generierten Musik, die zwei Dinge bestimmt nicht im Sinn hat: Perfektion und produktionstechnische Finesse.
Hemmungslos retro
Natürlich ist diese Musik hemmungslos retro. Manchmal wirkt es glatt so, als habe Schnallo gerade erst all das lustige Zwitschern, Zischen, Brummen entdeckt, das ein Synthi so hergibt. Ihr stilistischer Rahmen liegt indes deutlich im Bereich von Künstlern wie dem (wegen seiner Teilhabe an Trumps Mob gegen das Capitol umstrittenen) Sänger, Songwriter und Philosophieprofessor John Maus, der vor bald 20 Jahren mit uraltem (vorwiegend) elektronischem Instrumentarium eine an New und Dark Wave geschulte Retro-Elektronik-Welle auf den Weg gebracht hat. Retro-Futurismus nennt man das manchmal.
In der zweiten Hälfte des Albums wird öfters einmal das Tempo gedrosselt und etwas stärker differenziert. „Alone With You“ erinnert solchermaßen etwas an das unterschätzte britische Elektronik-Duo Yazoo. Seinen Höhepunkt erreicht „White Fluffy“ aber, indem noch einmal rabiat das Tempo forciert wird: „Kopf Kino“ ist ein mitreißender, dabei ein wenig düster untertönter New Wave-Feger, der von vielem handeln kann: etwa einer beziehungsfeindlichen Prägung durch Medien, und/oder der Diskrepanz zwischen guten Vorsätzen und Realität: „Wir, genau wie uns´re Eltern / wollten die Welt verändern / instead we play our losing games.“