Zweigleisig und viersaitig
Zwischen Nirvana-Riffs und catchy Melodien: Das Debütalbum der Wiener Formation ischia überzeugt mit stilistischer Vielfalt.
Also mit der italienischen Urlaubs- und Vulkaninsel hat diese Band nichts zu tun – fast schade, sehnte man sich nach dem massiven Wettersturz, der in Österreich zuletzt den Sommer jäh beendet hat, doch nach einer mild-wärmenden mediterranen Brise, und sei sie auch nur klanglicher Natur. Die Zeile „Sleep through the winter / I can’t hear what you’re sayin“ aus dem Song „Sleep“ passte da meteorologisch schon deutlich besser zur Witterung der mittleren Septembertage. Aber wie auch immer, die melodiös-heitere Grundstimmung nicht nur dieses Songs, sondern auch einiger weiterer auf dem Debütalbum „Leave Me To The Future“ lassen uns ischia aus Wien auch ohne geografisch-klimatische Anbindung ans Eiland vor Neapel sehr gewogen sein – und willkommen heißen.
Benannt ist die vierköpfige Formation jedenfalls nach ihrer Frontfrau, der Sängerin & Gitarristin Adele Ischia, die man auch als Instrumentalistin der Band Endless Wellness kennt, von der auch Bassist Hjörtur Hjörleifsson (vormals Oehl) stammt, der ebenfalls zweigleisig – und viersaitig – da wie dort agiert. Mit den beiden weiteren Mitgliedern, Lena Kauntz (Git., Keyb.) und Philipp Hackl (Drums), die wiederum zu den Live-Line-Ups von Yukno, Sharktank und Cousines Like Shit gehören, hat sich hiermit – nach Bon Jour – also eine weitere Art Supergroup aus der österreichischen Indie-Szene formiert, die freilich nicht als solche, sondern als genuin eigenständiges Gewächs (statt als Umtopfung) betrachtet und (wert-)geschätzt werden will.
Deutlich mehr als ein Seitenprojekt vor allem von Endless Wellness (und dessen erfolgreichem Debütalbum „Was für ein Glück“ zu Beginn des Jahres), spielen ischia auch auf einem grundsätzlich anderen Terrain. Dem hyperaktiven Aberwitz und (deutschsprachigen) Klamauk-Pop der EW stehen hier buchstäblich tiefer geerdete Post-Grunge-Psychedelia-Shoegaze-Sounds mit ernsthafteren, weniger verblödelten (englischsprachigen) Inhalten gegenüber, die vielfach der Lebenswelt von Frontfrau Adele entstammen (die wiederum, weder stimmlich noch vom Aussehen her, mit dem Weltstar selbigen (Vor-)Namens zu verwechseln ist).
So beschreibt der Song „Sorry Mama“ etwa „die alltäglichen Herausforderungen im Leben einer jungen Frau, zwischen Mutters Fragen, wann’s endlich Kinder gibt, der alltäglichen Abwehr toxischer Männlichkeit, und dem Grundproblem, bei all dem die eigene Würde zu bewahren (,Maintaining my dignity’), und formt daraus die sanftest mögliche, verträumteste Art von Hymne“, wie das wiederum Musikjournalist Robert Rotifer im Pressetext zum Album treffend beschreibt.
Standing in front/ Looking right at me /Like you’re on a hunt /It’s all about possessions /You think this is how /It works for your kind /But I’ll prove you wrong, you’ll see“, heißt es in der Vorab-Single „Fake“, die mit einem Nirvana-artigen Riff dazwischenfährt (wobei, da hat Rotifer schon recht, auch My Bloody Valentine als unüberhörbare Referenzen an manchen Stellen des Albums auftauchen). Da herrscht also eine kämpferische, aufstampfende Grundhaltung vor, die sich mittels dezidiertem Vortrag und salvenartiger Einschübe Gehör verschafft. Aber alle elf Stücke (auch der lediglich 1:49 lange bzw. kurze minimalistische Titeltrack) verbleiben bei aller Betonung von Dynamik und bisweilen Rückkoppelung im pop-affinen, melodiösen Umfeld. „People“ und besagtes „Sorry Mama“ halten sich dabei dank ihrer besonders catchy Refrains nachhaltig im Gehörgang.
Das Album wird am 27. September live im Wiener B72 präsentiert. Danach gibt es im Oktober und November eine Reihe von Konzerten in Österreich und Deutschland (großteils gemeinsam mit Endless Wellness), Termine siehe Ankündigungen auf der Bandsite.