Hommage an den Highway

Angewandter Geografie-Unterricht in Rhythm & Blues und anderen Spielarten: Die Geschichte von „Route 66“ und seiner vielen Coverversionen.

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30. September 2024

Legendäre Route, vielfach besungen... (c) gemeinfrei

Exzessive Roadtrips sind eine aussterbende Freizeitbeschäftigung. Anders als in den 1940ern, als noch nicht vor jeder Haustür mindestens ein Auto parkte, Fliegen der reine Luxus und der Weltraum noch nicht mit Satelliten zugemüllt war. Damals war so ein Roadtrip eine heiße Sache. So heiß, dass Songs darüber entstanden: „If you ever plan to motor west … do it my way, take the highway that’s the best.“

Under Cover, Folge 3 (Siehe auch Einführung, Folge 1 über „Hey Joe“ und Folge 2 über „Summerwine“. Cartoon: Margit Krammer)

Wir schreiben das Jahr 1946. Songwriter Bob Troup und Ehefrau Cynthia zieht es nach Hollywood, wo sich Troup als Film-Songwriter versuchen will. Während ihrer zehntägigen Autofahrt von Pennsylvania nach Kalifornien – stilecht, im 1941er Buick – komponiert Bob seine Highway-Hommage. Zum Glück für die Nachwelt überzeugt Cynthia ihren Ehemann Bobby, anstelle des ursprünglich geplanten HY 40 doch besser den Highway 66 zu besingen, und erfindet gleich den Titel dafür. Danke, Cynthia! Denn, seien wir ehrlich: „Get Your Kicks on Route Sixty Six“ hat doch weit mehr Sex Appeal als es, sagen wir, „Driving Shorty on Highway Forty“ je hätte haben können.

„Route 66“ ist angewandte Geografie in Rhythm & Blues. Was im echten Roadtrip zehn Tage dauert, nämlich die Reise quer durch sieben US-amerikanische Bundesstaaten, handelt der Song in weniger als drei Minuten ab: Zwei Drittel der Landesbreite der USA, vom Territorium der Großen Seen im Landesinneren, immer Richtung Westen, an die goldene Pazifikküste. „It winds from Chicago to L.A., more than two thousand miles all the way.“ Etliche Orte am Weg finden Eingang in die Lyrics. Nur ausgerechnet Albuquerque lässt Bob aus, wie Cynthia später erstaunt anmerkt.

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Nat King Cole macht die R&B-Highway-Hymne schon 1946 unsterblich. Coverversionen gibt es zuhauf und quer durch alle Genres. Exemplarisch: Bing Crosbys Interpretation bereits im Entstehungsjahr des Songs (1946) ist das Cover der Wahl für alle weihnachtlich gestimmten Lauscher:innen. Es kommt beschwingt gemächlich daher. Wer mit Bing reist, tuckert gemütliche 20 miles per hour dahin – nimmt dann aber knapp vor dem Sekundenschlaf im charmanten geografischen Schlagabtausch mit den Andrews Sisters so richtig wohltuend Fahrt auf. Platz 14 der Billboard charts.

Hohe Drehzahl der Stones

Die Rolling Stones veröffentlichen in ihrem unbetitelten Debütalbum 1964, was der amerikanische Musik- und Reisejournalist Richie Unterberger als „the most famous rock version“ der Route 66 bezeichnet. Erfrischend spürbar, dass die Stones ihre Version nicht direkt von King Cole, sondern von Rock-and-Roll-Pionier Chuck Berrys Cover (in dessen Album „New Juke Box Hits“,1961) abgedingst haben. Die damals noch nicht ach-so-wilden Jungs schrauben die Drehzahl des Songs gegenüber Meister Chuck noch etwas höher, und „Route 66“ wird zu einer der beliebtesten Nummern der frühen Stones-Konzerte.

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Manhattan Transfer lassen 1982 den Charme der frühen Interpretation von Crosby/Andrews Sisters in der präzisen, Manhattan-eigenen gepflegten Eleganz aufleben. Ja, es hat verdammt viel Pepp, wenn Frauen- und Männerstimmen sich gegenseitig amerikanische Städte um die Ohren fetzen.

Route 66-Elektronik-Hypnose

Ganz unbedingt gehört haben wollen wir Depeche Mode, deren Synthie-Rock-Pop-Beat den 1941er Buick im Jahr 1988 „Live at Pasadena“ inhaltlich derart smart aufgemotzt ins Rennen schickt, dass er zum Disco-Raumschiff mutiert und in die unendlichen Weiten des Weltraumes aufbricht. Route 66-Elektronik-Hypnose vom Feinsten. Aktuell eindeutig mein Lieblings-Cover, unmittelbar nach King Coles heiliger Originalversion. Beam us up, Scotty!

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Überhaupt läuft ohne „Route 66“ im künstlerischen Weltgeschehen gar nichts: Der argentinische Blues-Gitarrist Pappo übersetzt den Song 1995 ins Spanische und kassiert mit seiner Chuck-Berry-lastigen, schnörkellos geradlinigen „Ruta 66“ in Konzerten viele Kicks vom begeisterten Publikum. Richtig sexy und speedy ist elf Jahre später, 2006, die „Route 66“-Frauenpower der Disney-generierten Ethno-Girlband Cheetah Girls – als Promotion-Song für den Disney/Pixar Animationsfilm „Cars“. Wir wollen auf der Stelle einsteigen und mitfahren. Mit dem gesprochenen Schlusssatz: „Where are we going next?“ sind die Girls der optimale Soundtrack für ernsthaftes Marathon-Training. Im Film selbst ist die Cheetah-Girls-Version der legendären Route nicht zu hören, dafür sind auf Track 2 jene von Chuck Berry, und auf Track 7 die peitschenden Beats des mehrfach Grammy-ausgezeichneten US-Sängers John Mayer zu hören: quasi die „Route 66 on Steroids“, während der sich die putzigen Autos auf kurvenreicher Wettfahrt so gar nichts schenken.

Fast 80 Jahre hat die „Route 66“ heuer am Buckel, und nichts an Schwung verloren. Es reist sich gut, mit Rhythm and Blues, quer durch die amerikanische Landschaft: „Now you go through Saint Louis; Joplin, Missouri; and Oklahoma City is mighty pretty. You see Amarillo; Gallup, New Mexico; Flagstaff, Arizona; don’t forget Winona; Kingman; Barstow; San Bernandino.“
Nie hat Geografie-Unterricht mehr Spaß gemacht.

Legendäre Route, vielfach besungen... (c) gemeinfrei

Was im echten Roadtrip zehn Tage dauert, nämlich die Reise quer durch sieben US-amerikanische Bundesstaaten, handelt der Song in weniger als drei Minuten ab