Topfit und immer noch auf der Suche
Das neue Ja, Panik-Album "Don't Play With The Rich Kids": Frisch überholt und mit Galgenhumor.
Ja, Panik, topfit!“, prahlt Andreas Spechtl und im Hintergrund skandiert ein Chor: „Top Sound! Top Optik!“Natürlich liegt die Ironie solch marktschreierisch-dekorativen In-Pose-Werfens, das nach landläufiger Ansicht weit eher HipHop-Machos wie Eminem oder Kanye West anstünde als einer so reflektierten Band wie Ja, Panik, blank auf der Hand. Das Ganze könnte aber auch definitiv als Statement aktueller Befindlichkeit verstanden werden: Dass das Berlinerische Quartett burgenländischer Herkunft nach Jahren des experimentierenden Suchens, nachdrücklich dokumentiert auf dem schönen, von Jazz und ansatzweise sogar kontemporärer E-Musik infiltrierten 2021er-Album „Die Gruppe“, und nach etlichen Solo-Alben ihres Sängers, Texters und ideellen Mittelpunkts Andreas Spechtl nun (wieder) seinen Weg gefunden hätte.
Dafür spräche auch, dass das neue Ja, Panik-Album „Don’t Play With The Rich Kids“ wie eine frisch überholte, auf aktuellen Produktionsstandard gehobene und um die Lebensweisheit von mehr als einer zusätzlichen Dekade bereicherte Version ihrer heute schon als klassisch zu bezeichnenden Alben „The Angst And The Money“ (2009) und „DMD KIU LIDT“ (2011) klingt. Dagegen spricht, dass just das Sich-(noch immer)-nicht-Gefunden-haben einer der inhaltlichen Schwerpunkte dieser Platte ist.
Schon der Einstieg verweist, ein alter J, P-Topic, auf fortwährendes Suchen, nur geschieht das nicht mehr wie in „Wien, du bist ein Taschenmesser“ innerhalb von Stadtgrenzen, sondern gewissermaßen global. „I was lost in Berlin / lost in Vienna / lost in Mexico City“, singt Spechtl, der über kurz oder lang wohl auch „lost in Argentina“ gewesen sein wird – dort nämlich lebt er gegenwärtig und der Titel des über 11 Minuten langen, in einem insistenten Gitarren-Jam auslaufenden Schluss-Songs „Ushuaia“ steht nicht wie sein stilistischer Zwilling „DMD KIU LIDT“ für die Abkürzung einer schlauen Deklamation („Die Manifestierung des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit“), sondern bezeichnet die südlichste Stadt Patagoniens (und nach einer gängigen, wenngleich natürlich nicht unangefochtenen Definition auch der Welt). „Immer wieder glaube ich, I found myself, und bin ich’s wieder nicht“, konstatiert Spechtl ein paar Songs später.
Es ist nichts Verzweifeltes, geschweige denn Larmoyantes in solchen (Selbst-/)Erkenntnissen – und das ist überhaupt eine Eigentümlichkeit dieser Platte: Obwohl sie – unvermeidlicherweise, muss wohl gesagt werden – sehr ernste Themen zur Sprache bringt, ist sie frei von tranigem Kulturpessimismus und apokalyptischer Zukunftsangst. Sie ist auch frei von treuherzig-naiven Appellen an Zuversicht und Optimismus. Lassen-wir-die Dinge-gewähren-und-machen-wir-für-uns-das-Beste-daraus – so lässt sich die Tendenz der Inhalte am ehesten beschreiben. „Ich wach eh auf in der Hölle / sag wovor soll ich mich fürchten?“, heißt es an einer Stelle.
„Die andere Welt die möglich ist / die fängt in unserm Hinterzimmer an“, ortet der virtuelle Hit der Platte: Das gospelige, in Aufbau und Anmutung allerdings einigermaßen drastisch Blurs Klassiker „Tender“ nachempfundene „Fascism Is invisible“ wägt zu Gassenhauer-Melodie und fast schunkeligem Shuffle Verführungs- und Widerstandskräfte für/gegen Faschismus ab.
(Selbst-)Ironisch verhandelt Spechtl in „Mama Made This Boy“, das die Album-Titelzeile „Don’t play with the rich kids“ enthält, zu aufgekratztem Rhythmus und einem herrlichen Good-Time-Rock’n’Roll-Sax die Kluft zwischen Vermögenden und weniger Privilegierten: „Gestern noch broke in Vienna / heute weiß ich, wie ich shake mein’ moneymaker / aber du, du holst mich runter immer / ey Bub, altes Geld braucht keine neuen Kinder.“
Eine Art Wir-gegen-die-Welt-und-das-Unvermeidliche-Rebellion zelebriert die lässige, fließende Midtempo-Ballade „Hey Reina“: „Wir scheißen auf den Tod und seine Freunde tonight / Wir haben noch ganz andere Feinde, du weißt.“ Dagegen treibt das „Teuferl“, ein gern gesehener Gast in Ja, Panik-Songs, mit ehrwürdigem Kulturgut Schabernack: „Sie sagen sie spielen was von Beethoven / für mich klingt’s nach Bubblegum / Unter den Quinten und den Terzen wurden schon andere begraben.“
Am Ende geht’s, wie eingangs erwähnt, in „Ushuaia“ an die Kante der Welt, wo schon die Antarktis zu spüren ist, wo alles anfängt und aufhört, wo die Uhren stillstehen, wo es egal ist, ob man 40 oder 40.000 Jahre alt ist: Diesen Platz kümmern die Verwerfungen der Welt so viel wie den Planeten die geschäftigen Umtriebe jener Wesen, die sich als Krone der Schöpfung zu verstehen anmaßen.
Live-Termine: 12.4. Salzburg, ARGEkultur; 13.4. Wien, Konzerthaus
Obwohl die Platte sehr ernste Themen zur Sprache bringt, ist sie frei von tranigem Kulturpessimismus und apokalyptischer Zukunftsangst.