Beschissen schönes Dasein

Der Steirer Paul Plut veredelt auf "Herbarium" seine regional verwurzelten Lieder mit universalem Appeal – und transformiert existenzielle Schwere in künstlerische Leichtigkeit.

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30. Mai 2024
Paul Plut

Paul Plut: Herbarium (Abgesang)

Vor wenigen Tagen erhielt der (1988) in Schladming geborene Musiker Paul Plut den von Hubert von Goisern gestifteten Goisern-Kulturpreis. Und vor wenigen Wochen veröffentlichte der auch von seinen Bandprojekten Viech und Marta her bekannte Musiker sein drittes Album als Solokünstler: „Herbarium“, eine Kollektion mit eigenem Songmaterial und fremdem Liedgut.

Zwei Jahre lang hat Plut Ideen und Texte gesammelt, selbst Songs geschrieben und Lieder anderer Interpreten entdeckt und sie auf einem vielfältigen und abwechslungsreichen Album zusammengefügt. Aufgrund der unglaublichen Dichte an bemerkenswerten Veröffentlichungen aus heimischen Landen heuer – Endless Wellness, Ja,Panik, Zinn, Rahel und Der Nino aus Wien, um nur eine Handvoll zu nennen – schien der Steirer mit seiner ebenso herausfordernden wie einnehmenden Platte etwas ins Hintertreffen zu geraten.

Schönheit und Bedrohlichkeit: Paul Plut (c) Manuel Peric

Aufgewachsen in der Ramsau, der Hochebene über Schladming, zwischen dem Dachsteinmassiv und den Schladminger Tauern, haben Plut die Schönheit und die Bedrohlichkeit der unberührten Natur und die Schönheit und die Unbilden des einfachen Lebens nachhaltig geprägt. So meinte er in einem Interview einmal, „dass es Empathie erzeugt, wenn man sich auch auf die Tragik einlässt und sich nicht nur mit den guten Dingen beschäftigt“. Selten schließt ein Künstler die raue und unbehandelte Natur und den kämpfenden und fallenden Menschen bereitwilliger und liebevoller in die Arme als Paul Plut.

Karg-spröde Kunstwerke

Seine ersten beiden Soloalben, „Lieder vom Tanzen und Sterben“ (2017) und „Ramsau am Dachstein nach der Apokalypse“ (2021), überzeugten als brachial-expressive und karg-spröde Kunstwerke, die sich ohne Scheu den existenziellen Themen des Daseins widmeten. Mit seinen Liedern von Tod und Trauer, von Liebe und der Sehnsucht danach, vom ganzen „beschissen-schönen Dasein“ mit all seinen Herausforderungen, eroberte sich Plut eine Ausnahmestellung in der heimischen Musikszene. Seine Art Geschichten zu erzählen erinnert mitunter an seine großen musikalischen Inspirationsquellen: Nick Cave, Bob Dylan, Tom Waits und PJ Harvey.

Sonore Stimme, meditativ-mäandernd: Paul Plut (c) Daniel Sostaric

Auf seinem mittlerweile dritten Soloalbum beschreitet er nun neue musikalische Wege, ohne seiner Grundhaltung und seinem unverkennbaren Musikentwurf – tief regional verwurzelt mit universalem Appeal – untreu zu werden. Indem er dieses Mal nicht nur auf Lieder fremden Ursprungs – u.a. Hildegard Knefs „Wo einmal nichts war“, „Devil Town“ von Daniel Johnston, Garishs „Draußen fischt im Eis“ und mit „Dein stolzes Herz“ auch einer Neuinterpretation eines alten Wienerliedes von Kurt Girk – zurückgreift, sondern auch Gastsängerinnen – Barca Baxant, Violetta Parisini und Nastasja Ronck – prominent in den Mittelpunkt rückt, gelingt es Paul Plut, die existenzielle Schwere seiner Inhalte vermehrt in ans Gemüt gehende Leichtigkeit zu transformieren.
Mit der meditativ-mäandernden Soundcollage „Luft“ und der mit sonorer Stimme in Mundart und mit Ziehharmonika vorgetragenen Provinzdystopie „Lucken in der Landschaft“ zeigt er sich aber auch weiterhin als Meister intensiv-expressiver Liedkunst, die er mit sanfter Verletzlichkeit konterkariert.

Mit seiner eigenständigen Art, auf die Welt zu blicken, ohne Weichzeichner und Filter, gelingt es Paul Plut, Schönheit und Schrecken, Angst und Euphorie, Mensch und Natur in ihren extremsten Formen in Liedern abzubilden – und damit Im Hörenden etwas anzustoßen, ihn zu verstören, zu bewegen und nachhaltig zu inspirieren. Und am Ende Hoffnung und Aufbruchsstimmung zu evozieren. „Herbarium“ ist auch als Musikkassette, Download und Buch (mit handgefertigten Collagen von Herbarien) bei Abgesang zu erwerben.

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Paul Plut

Paul Plut: Herbarium (Abgesang)

In einem Interview meine Paul Plut einmal, „dass es Empathie erzeugt, wenn man sich auch auf die Tragik einlässt und sich nicht nur mit den guten Dingen beschäftigt“