Butter oder Messer – was wollen wir sein?
Inhaltlich gewitzt, dramaturgisch schlüssig und doch stilistisch vielseitig brilliert Joan Wasser als Joan As Police Woman mit ihrem zehnten Album „Lemons, Limes And Orchids“ .
Joan Wasser, die zu ihren Künstlernamen von der US-Serie „Police Woman“ mit Angie Dickinson inspiriert wurde, hat in ihrem 54-jährigen Leben bereits eine Unzahl an musikalischen Aktivitäten in Form von Kooperationen und eigenen Arbeiten verwirklicht: Als klassische Geigerin ausgebildet, spielte sie nach ihrer Hinwendung zur Pop-Musik in zahlreichen Indie-Bands und hat mit Anthony And The Johnsons (Anohni), Lou Reed, John Cale, David Sylvian, Rufus Wainwright, Benjamin Lazar Davis, Damon Albarn, Tony Allen, Elton John, Sheryl Crow, Scissor Sisters, Sparklehorse, Dave Gahan u.a. zusammengearbeitet.
Unter eigener Flagge, wenn schon nicht direkt unter eigenem Namen, hat sie eben ihr zehntes Album, „Lemons, Limes And Orchids“, veröffentlicht.
Auf diesem konzentriert sich die Wahl-New Yorkerin auf ihre Kernkompetenzen als Joan As A Police Woman: Instinktsicher austarierter Soul-Pop mit dezenten Rock- und R&B-Einflüssen, der von ihrer angerauten, gleichermaßen gefühlvollen wie in allen Lagen souveränen Stimme, der sparsamen, keinen Ton zu viel ins Spiel bringenden Klavierbegleitung und in etlichen Stücken – als einzigem halbwegs spektakulärem Element – vom knallig-schlingernden Bass der virtuosen, in einem weiten Bereich zwischen Progressive Soul und Jazz agierenden Meshell Ndegeocello getragen wird.
„Lemons, Limes And Orchids“ sticht aus Wassers ohnedies erlesenem Werk-Katalog noch insofern heraus, als wohl keine andere JAPW-Platte eine dermaßen konzise musikalische Dramaturgie und formale Geschlossenheit erreicht.
Dabei ist „Lemons…“ alles andere als einförmig: „Long für Ruin“ eignet mit seiner ins Dramatische tendierenden Melodieführung und anrührenden Wah-Wah-Gitarre ein eindeutig psychedelischer Einschlag; Blues-Feeling atmet wiederum „Tribute To Holding On“, während der von einer gleichermaßen offensiven wie gefühlvollen E-Gitarre durchzogene Titelsong sich zu einem langen, nachdenklichen Gospel-Stück aufbaut.
Auf dramatische Gesten verzichtet diese Musik freilich, und die gleiche intelligente Selbstbescheidung offenbart sich auch in den Inhalten. Hier wird nicht, wie das etwa Bright Eyes und andere gerne vorführen, mit großen Referenzen um sich geworfen, sondern auf das Basische zu(rück)gegangen.
Der thematische Fokus von „Lemons, Limes And Orchids“ ist vermeintlich denkbar simpel – und birgt wesenhaft doch einen raffinierten Twist. Es geht um Liebe, im weiteren Sinn aber auch um die Gefährdungen, die der Welt aus deren Verlust erwachsen.
Das kann stellenweise – vielleicht! – eine politische Dimension annehmen wie in „Full Time Heist“, in dessen narzisstischem, applaussüchtigem Charakter etliche (ober?)schlaue Rezensenten Donald Trump erkannt haben wollen, es kann skeptische Fragen auslösen wie „Do we secretly long for ruin?“, aber auch zu einem Seminar-würdigen Sinnspruch für all die emotionale Verwirrung inspirieren, mit der der Titelsong „Lemons, Limes And Orchids“ das Sprichwort „Wie die Butter durch das Messer“ paraphrasiert: „One day i feel like butter / and the next I’m more aligned with the knife“.
Live in Österreich: 19.10., Kino Ebensee