Drama at its fucking best

Der 36-jährige Kalifornier Loren Kramar gibt mit „Glovemaker“ ein gewaltiges LP-Debüt.

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3. Mai 2024

Loren Kramar: Glovemaker (Secretly Canadian)

Drama-Queens sind auf gewisse Weise die ultimative Essenz des Pop, verkörpern sie doch alles, was diese Kunst und das mit ihr verbundene Geschäft ausmacht: Große Gesten, große Gefühle, großes Sentiment, große Show. Großes Kino, um es mit einer Phrase zu benennen – die allerdings bei Loren Kramar stimmig passt wie selten sonstwo.

Loren Kramar ist ein schwuler, bärtiger Sänger und Songschreiber und bereits 36 Jahre alt. Aufgewachsen ist er in Encino, einem Teil des San Fernando Valley in LA, der übrigens im Süden vom Mulholland Drive begrenzt wird – nicht nur deshalb drängt sich ein Verweis auf David Lynch auf.

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Sozialisiert durch Kunst und Design

Als Kind musste Loren seine Barbiepuppen vor seinem Vater, einem aus Detroit stammenden Metallarbeiter, verstecken. Klassischerweise aber unterstützte seine Mutter die musischen Neigungen des Jungen, der sich bereits in frühesten Jahren seiner Homosexualität bewusst war, brachte ihn in einem Gospelchor unter und ließ ihm Unterricht im Steptanzen und Eiskunstlauf zukommen.

Als junger Erwachsener zog Kramar nach New York, studierte Kunst, dockte an die Modedesigner-Szene an, von deren Einfluss seine teils abenteuerlichen Bühnen-Outfits noch heute Zeugnis ablegen, und erlernte mittels Computer-Programm das Musikmachen.

In den Zehner-Jahren kehrte er zurück nach LA, um sich professionell als Musiker zu verdingen. Er kam zunächst aber nicht mit der Plattenindustrie klar, in deren Ansprüchen er eine Gefahr für seine Individualität und Persönlichkeit witterte, nahm ein Album auf, das nie veröffentlicht wurde, und tourte mit Father John Misty. Nun ist sein spätes LP-Debüt „Glovemaker“ bei Secretly Canadian erschienen.

Musik wie gemacht für David Lynch

Großes Drama, wie gesagt. Und sehr für sich stehend, man könnte fast einzigartig dazu sagen. Am ehesten weckt Kramar Assoziationen zu Perfume Genius. Während dieser aber kräftige Wurzeln im Rock hat, sind laute Gitarren, scheppernde Drums und ähnliche Kinkerlitzchen Loren Kramars Sache nicht. Kramars stilistische Erdung liegt wohl im Soul – die Bläser im Opener „Hollywood Blvd“ könnten direkt aus den Stax-Studios in Memphis geholt worden sein -, aber sein Aktionsradius geht noch viel weiter: So ruft sein insbrünstiger Gesang Echos aus der Crooner-Ära eines Frank Sinatra und dem Sehnsuchts-Pop eines Paul Anka oder Roy Orbison aus den 50er Jahren hervor. Ein wenig Jazz klingt hin und wieder in geschmackvoll-disziplinierten Saxophon-Einlagen durch; die üppige Orchestrierung wiederum gibt der Musik eine cinematographische Anmutung – wir wären wieder beim großen Kino und bei David Lynch, der, wie der „Musik Express“ zutreffend festgestellt hat, Kramer als Soundtrack „für seinen nächsten Film schon auf dem Zettel haben sollte“.

Wir wollen die Welt

Offen eingestandene Sehnsucht nach Starruhm: Loren Kramar ©Jason Al Taan

Inhaltlich will Kramar genau eines: die ganze Welt. Offen sehnt er sich nach Starruhm, Unsterblichkeit und sofortiger Bedürfnisbefriedigung: „It´s my birthday, it´s thursday, and I wanna get fucked in the worst way“. „High as a watch tower / Lonely as the sun / Crazy as a starfucker / Heady as a love taker / Empty as a drum / Horny as a glovemaker“ gibt sich Kramar im Titelsong; „I´m a slut / So what / I’m a slut for all my dreams / I’m a whore for them / I’ve got more of them“ stellt er in „I‘m A Slut“ lakonisch zur Disposition.

Spielerisch-burlesk intoniert Kramar das anmutige „Like A Lover“, während er „Gay Angels“ zu einer einzigartigen symphonischen Bombast-Orgie auftürmt.

Einzige kleine Schwäche des Albums ist, dass es in in der finalen Phase wegen zu viel langsamer Gleichförmigkeit ein bisserl fad wird. Wie es aber für Platten dieser Art besonders wichtig ist, hat „Glovemaker“ mit „No Man“ einen ganz starken, die Welt umarmenden und das Universum beschwörenden Abgang.

 

 

Loren Kramar: Glovemaker (Secretly Canadian)

Großes Kino, um es mit einer Phrase zu benennen. Die allerdings bei Loren Kramar stimmig passt wie selten sonstwo.