Große Stimme, große Gefühle

Die Australierin Grace Cummings überzeugt auf ihrem neuen Album als Künstlerin mit vielen Gesichtern.

Von
13. Mai 2024

Grace Cummings: Ramona (ATO Records / Pias)

Die Australierin Grace Cummings ist eigentlich Bühnenschauspielerin – und so überrascht es nicht, dass ihre Stimme über das entsprechende Volumen verfügt, um sie auch in hinteren Reihen noch gut hören zu können. Auf ihren ersten beiden Alben, „Refuge Cove“ und „Storm Queen“, überzeugte sie trotz beeindruckender Stimme mit eher von Reduktion und Introspektion geprägten, leicht anachronistisch anmutenden Folksongs, was ihr Vergleiche mit Joni Mitchell und Laura Marling einbrachte.

Auf ihrem nunmehrigen dritten Album, „Ramona“, schöpft die Sängerin ihr Potential voll aus und überzeugt mit einer Sammlung ausdrucksstarker Songs, die ein Fenster zu ihrer Seele öffnen. Je größer das Gefühl, desto größer müsse auch der Song darüber sein, sagt Cummings in einem Interview, und so entwickeln sich viele Songs, nach verhaltenem Beginn mit Klavier und Gitarre, nach und nach mit Streichern, Bläsern und Orgel zu einem opulenten Cinemascope-Sound, welcher der Schönheit und dem Umfang ihrer Stimme voll Rechnung trägt. Jonathan Wilsons Produktion lässt der australischen Chanteuse genug Raum für stimmliche Grandezza und theatralische Gesten. Als musikalische Gäste tragen Harfenistin Mary Lattimore und Multiinstrumentalist und Streicherarrangeur Drew Erickson zum Gelingen bei.

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Grace Cummings präsentiert sich auf diesem Album als Künstlerin mit vielen Gesichtern und schlüpft als Geschichtenerzählerin in unterschiedliche Rollen. In ihren assoziativ-mäandernden Texten thematisiert sie Verlustschmerz und die Verletzlichkeit beim Abschiednehmen ebenso wie das behutsam-tastende Weitermachen. Die Schönheit und Kraft ihrer Stimme und die opulente Eleganz der Arrangements befreien die inhaltliche Auseinandersetzung mit Endlichkeit, Selbstzerstörung und Verlust von jeglicher depressiven Anmutung und lassen die elf Songs in strahlendem Glanz leuchten. Kein einziger Füller, ein Album wie aus einem Guss.

Der Albumtitel bezieht sich übrigens auf einen Song von Bob Dylan, in dem er von einer melancholisch-verletzlichen Frau berichtet, die mit menschlicher Wärme und rauem Charme den Unbilden des Lebens entgegentritt. Grace Cummings dürfte ihm dafür unwissentlich Porträt gestanden haben.

Am 19. 5. gibt es die Möglichkeit, die Australierin live als Support von King Gizzard & The Lizard Wizard in der Arena Wien zu sehen und zu hören. Auch wenn einem diese Konzert-Kombination ein wenig bizarr erscheint (und wohl nur der Tatsache geschuldet ist, dass beide Künstler beim selben Plattenlabel veröffentlichen), sollte man sich diese wohl einmalige Chance nicht entgehen lassen.

Grace Cummings: Ramona (ATO Records / Pias)