Herztöne aus der Abgeschiedenheit
Die US-Singer/Songwriterin Adrianne Lenker sinniert betörend intensiv über das Wesen der Liebe
Tastende, in Moll gehaltene Klaviertupfer werden von ein paar dezenten Violinklängen ergänzt, ehe Adrianne Lenker zu singen beginnt und mit den Zeilen „Do you remember running? / The purity of the air around / Braiding willow branches / into a crown / That love is all I want“ gleich im Eröffnungssong das Motto ihres fünften Soloalbums vorgibt: „Bright Future“ ist ein Album über das Wesen der Liebe, also eines für alle, die jemals von der Liebe träumten, sie fanden oder auch wieder verloren. Also ein Album für alle.
Die zweiunddreißigjährige US-Musikerin zählt – mit ihrer Band Big Thief und ihren Soloalben – seit Jahren zu den bemerkenswertesten Folkmusikerinnen der Gegenwart. In ihren Songs wirft sie assoziative Schlaglichter auf ihr Aufwachsen in einer dysfunktionalen Familie – ihre frühen Lebensjahre verbrachte sie auf ständigen Reisen mit den Eltern im Van, aber auch im Kreis einer Sekte – und auf mehrere gescheiterte Beziehungen. Wie Adrianne Lenker bedrückende Erinnerungsarbeit in betörende Liedkunst verwandelt, privates Unglück und poetische Naturbetrachtungen in Songs von herzzerreißender Intensität und fragiler Schönheit fließen lässt, ist außergewöhnlich und zeugt von großer Kunst.
„Bright Future“ wurde in der Abgeschiedenheit von Massachusetts eingespielt, in einem Studio im Wald, in das sich Lenker mit befreundeten Musikern zurückgezogen hat, um ihren intimen Songs den passenden Produktionsrahmen zu verleihen. Die Zurückgezogenheit des Aufnahmeorts und die dezente Eleganz der Produktion korrelieren stimmig mit der sanftmütig-verletzlichen Innerlichkeit Lenkers und verleihen den Songs Tiefe, Reife und Intensität.
Produziert von Philip Weinrobe, unterstützt von Nick Hakim am Klavier, Mat Davidson an Gitarre und Banjo und Josefin Runsteen an der Violine und am Schlagwerk, spürt Lenker den Bewegungen ihres Herzens nach, die zwischen Sehnsucht, Verzweiflung, Hoffnung und friedlichem Glück oszillieren. Bei manchen Songs hat man beim Hören tatsächlich den Eindruck, als würde man mit Lenker und ihren Freunden in einem Raum sitzen, derart unmittelbar wirken sie auf einen.
„Bright Future“ ist ein herausragendes Album und man würde ihm – und Adrianne Lenker – Unrecht tun, wenn man einen der zwölf Songs daraus speziell hervorheben würde.