Infernalisch schön
Auf seinem sehr tollen Album „In Love Again“ führt das britische Quartett Ex-Vöid vor, wie spannend Rock noch immer sein kann.
Es ist ein alter Hut, dass auf einer Rock-LP „brutale“ (dissonante, laute, harsche, ungemütliche) Elemente auf „schöne“ (melodische, harmonische) treffen können. Dass aber auf einem Album die allerbrutalsten und allerschönsten Teile, die es aufzubieten hat, in ein- und demselben Song (für lumpige 2:38 Minuten) zusammenfinden, ist eher nicht alltäglich.
„Pinhead“ auf „In Love Again“, dem zweiten Album der englischen Formation Ex-Vöid, ist so ein Fall: Ein schneller Kracher mit verzerrten Gitarren, der, ohne das Tempo zu reduzieren, für ein paar reizvolle Momente Fahrt rausnimmt, um alsgleich wieder frisch und fröhlich weiterzudonnern, vermählt sich mit dem ungefähr lieblichsten Belcanto, der je popmusikalischen Stimmorganen entlaufen ist.
Ex-Vöid sind im Kern ein Frau-Mann-Duo, bestehend aus Lan (Alanna) McArdle und Owen Williams. Beide singen und spielen Gitarre und werden unterstützt durch Laurie Foster (Bass) and George Rothman (Drums), die übrigens in den Songwriter-Credits mit angeführt sind. An (Körper)Größe überragt sie McArdle alle.
McArdle & Williams machen seit ungefähr zehn Jahren zusammen Musik. Zuvor waren sie in einer Formation namens Joanna Gruesome – eine nominelle Persiflage auf die Freak-Folk-Musikerin Joanna Newsom. Was Void heißt, ist klar (Leere); warum dem Namen ein Ex- vorangestellt und ein Umlaut aufgepfropft ist, können wir als Rätsel gerne links liegen lassen.
Aus welchen Elementen sich die Musik konstituiert, ist recht klar: Proto-Punk nach Art der Stooges, Hardcore, Power-Pop mit einem Schuss Folk-Pop und natürlich Shoegaze wie im oben zitierten „Pinhead“.
Öfters scheint es allerdings, als wollten verschiedene Kräfte die Musik in verschiedene Richtungen zerren. Ursache dieser eigentümlichen Divergenz ist der satte Harmoniegesang McArdles und Williams, der nichts von den genannten Einflüssen zu wissen scheint, fallweise Richtung Jefferson Airplane, bisweilen sogar Richtung Richard & Linda Thompson tendiert. Zu letzterem passt, dass Williams Stimme eine ähnlich dunkle Färbung wie jene Thompsons oder auch eines Lou Barlow aufweist.
Dass sich also Instrumental-Inferno und stimmlicher Vortrag bisweilen wie Parallelveranstaltungen ausnehmen, verleiht der Musik einerseits natürlich Spannung, andererseits aber auch ihre Unverwechselbarkeit. Einmal gehört, erkennt man Ex-Vöid sofort aus Hunderten – oder welche Größeneinheit auch immer Sie wollen – heraus.
In den Texten von „In Love Again“ geht es, wie der Tiel hinreichend indiziert, um Liebe. Es sind keine romantischen Idyllen, die in den zehn Songs gezeichnet werden, viel eher ist es ein Ödland leidenschaftsarmer Desillusion: „Was I disappointing when we first kissed? / Taste of tar on my breath, slurring but not pissed“.
Und selten ist die ermüdende Wiederkehr des ewig Gleichen schöner ausgedrückt worden als in den Zeilen „It’s always the same old story / It’s like you do it just to bore me.“
Öfters scheint es, als wollten verschiedene Kräfte die Musik in verschiedene Richtungen zerren.