Lebenszeichen aus dem Gemeindebau

Wiederauferstehung dank KI – und Thomas Rabitsch: Zum 70. Geburtstag von Hansi Lang ist ein Album mit Dialektsongs erschienen, das im Rabenhof live präsentiert wurde.

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14. Jänner 2025

Erinnerung an Hansi Lang beim Live-Event im Rabenhof, mit Johannes Krisch als Performer. © Rita Newman / Rabenhof

So etwas hatte ich bis dahin noch nicht gesehen – und auch danach nie mehr erlebt. Es war, glaube ich, im Jahre 1981 im Wiener Metropol, als Hansi Lang auf die Bühne stürmte und eine volle Milchpackung über sich entleerte – bumms, machte es, und schon war der halbnackige Vorstadtrocker auf explosive Art buchstäblich weißgewaschen. Und dann ging es erst so richtig los. Nach der Dusche fetzte der Milchbub von einem Bühnenende zum anderen und sang sich die – alles andere als weiße – Seele aus dem Leib. Wahrscheinlich trügt mich die Erinnerung, wenn ich glaube, dass es „Zucker“ war, mit welcher Nummer er diese Show eröffnete. Jedenfalls war es ein kalorisch hochwertiger Abend.

Lokalmatador mit regionaler Selbstzufriedenheit

Hansi Lang war damals eine der größten heimischen Live-Attraktionen: ein quirliger, zappeliger Blondschopf, der mit voller Hingabe eine Wiener Vorstadtvariante von New Wave verkörperte – mit leicht räudiger Stimme und treibenden Rhythmen (die vor allem Gitarrist Harry „El Fisher“ und der unvergessene Drummer Peter Kolbert druckvoll beisteuerten). In den Händen von Peter Schleicher und vor allem Wickerl Adam (in dessen Hallucination Company er von 75 bis 79 und auch noch in den 80er Jahren spielte und sang) zum Vollblutmusiker herangereift, war Hansi Lang, der am 13. Jänner 70 Jahre alt geworden wäre, ein Lokalmatador im eigentlichen Sinne. Von U4 bis Metropol und Arena rockte er damals die vergleichsweise kleinen Clubs und Häuser – und dabei ist es im Wesentlichen geblieben (von ein paar größeren Auftritten, wie etwa im Vorprogramm von Supertramp im Prater- oder Rod Stewart im Hohe-Warte-Stadion, abgesehen).

Explosiver Vorstadtrocker: Hansi Lang, 1986 in der Arena. (c) Rabenhof

Die große internationale Karriere, die der andere Hansi und zeitweilige Hallucination-Gespons Hölzl in unvergleichlicher und bis heute erstaunlicher Weise hinlegte, blieb dem (1955) geborenen Hernalser versagt. Es waren nicht nur Langs Drogenprobleme, die einen weiteren geografischen Radius und eine größere popmediale Reichweite erschwerten (die hatte Falco schließlich auch), sondern eine gewisse regionale Selbstzufriedenheit und ein freiwillig gewähltes Verharren in der lokalen Szene. So wie etwa auch bei Harri Stojka, der mit Lang ebenfalls zusammenspielte und der – als er von Franz Zappa einst eingeladen wurde, Teil von dessen Band, The Mothers Of Invention, zu werden – angeblich sagte: „Oida, I hob mei eigene Partie…“

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Mit „Montevideo“, „Addio Westwelt“, „Ich will wieder gut sein“, „Zucker“, „Ich spiele Leben“ und vor allem der bis heute legendären Stadthymne „Keine Angst“ folgten auch so und rein hierzulande ein Hansi-Lang-Hit auf den anderen. Wie zeitlos diese geblieben sind, kann man entweder auf der Live-CD „Spiele Leben“ (remastered 2015) oder Jahr für Jahr rund um Hansi Langs Geburstag im Jänner in der Simmeringer Szene Wien erleben, wo der rührend wackelige und mental doch so aufrechte Wickerl Adam seine diversen, lebendig verbliebenen Hallucination-Kompanien zu HL-Erinnerungsabenden zusammentrommelt – und die alten Hadern von bunt zusammengewürfelten Truppen live performen lässt.

Produktions- und Klangzauberer Thomas Rabitsch, beim Erinnerungsabend live zu Werke gehend. © Rita Newman / Rabenhof

Musikalisch wird das Ganze von Thomas Rabitsch professionell zusammengehalten, ohne den in Österreichs (Retro-)Pop bekanntlich kaum was geht. Nun hat Rabitsch, der mit Hansi Lang und Wolfgang Schlögl bereits von 2004 bis 2008, bis zu Langs (zu) frühem Tod, die ästhetisch feingetunte Band The Slow Club betrieb (in der sich Hansi als Edelcrooner künstlerisch gereift präsentieren durfte), aus alten Schläuchen neuen Klangstoff destilliert.

Stimme aus dem Wasser geholt

Mehr als ein Jahrzehnt lang waren alte Demos, die Lang zu Hause, im Döblinger Gemeindebau (der 2018 zum Hansi-Lang-Hof ernannt wurde), aufgenommen hatte, von Rabitsch (der sie von Langs Tochter erhalten hatte) in einem Plastiksackerl aufbewahrt worden. In den Corona-Lockdowns begann der Musiker und Produzent, sich näher mit den großteils im Dialekt gehaltenen Aufnahmen, die nur auf Cassetten und selbstgebrannten CDs zur Verfügung standen, zu beschäftigen. Dank inzwischen ausgefeilter Computertechnik, und unter Mithilfe von KI, gelang es Rabitsch, die verwaschene und wie unter Wasser klingende Stimme seines einstigen Kollegen so zu „reinigen“ und zu extrahieren, dass er damit musikalisch weiterarbeiten konnte, sprich: die rohen Songs zu instrumentalisieren und zu arrangieren. Herausgekommen ist dabei das Album „Sing, Hansi!“, das pünktlich zu Langs 70. Geburtstag erschien – und im Rabenhof auch live präsentiert wurde, u.a. mit Gastsängern wie Roman Gregory, Georgij Makazaria („Russkaja“), Mime Johannes Krisch und der Sängerin und Schauspielerin Edita Malovcic.

Das Hansi-Lang-Programm im Rabenhof findet nochmals am 24.1., 25.1. und 1.2. statt. © Chili Gallei / Rabenhof

Die 15 auf der Platte enthaltenen Songs zeigen Langs Bandbreite noch einmal eindrücklich: von rockigen Fetzern („John Wayne“) über einen frühen Rap („Ollas wosd waaßt“) bis zu poetisch an H.C. Artmann geschultem Dialektpop („Heit bring mas Wasser zruck“) und dem fast schlagerseligen „Wann der Flieder bliaht“ (im Duett mit Birgit Denk) reicht die Palette – und ist eine mehr als ehrenwerte Würdigung des Unvergessenen.

Bei der Live-Präsentation, mit rockiger Band, standen dann, im zweiten Set, freilich doch die alten Nummern im Mittelpunkt (großartig etwa „Metropolis“, begleitet mit Filmsequenzen aus dem gleichnamigen Fritz L.-Film, quasi eine Lang-Verdoppelung), die einmal mehr zeigten, dass Hansi Lang in seiner prekären, um Authentizität und Ausdruck ringenden (Gemeindebau-)Existenz irgendwie besser in unsere Zeiten passt als der abgehobene Falco. „Keine Angst“, vom Publikum frenetisch aufgenommen und mitgestampft, könnte, so wie sich die Dinge (nicht nur) hierzulande entwickeln, noch einmal zur Hymne der Stunde werden.

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Erinnerung an Hansi Lang beim Live-Event im Rabenhof, mit Johannes Krisch als Performer. © Rita Newman / Rabenhof

Die alten Songs zeigen, dass Hansi Lang in seiner prekären, um Authentizität und Ausdruck ringenden (Gemeindebau-)Existenz irgendwie besser in unsere Zeiten passt als der abgehobene Falco.