Nix Genaueres weiß man nicht

Ziemlich diffus und vage formuliert Porches auf dem neuen Album „Shirt“ ein Unbehagen an der Welt und beeinträchtigt dadurch eine potentiell große Platte.

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14. September 2024

Porches: Shirt (Domino Records)

Manchmal geben sich Dinge einfacher, als sie sind: Es war im Prinzip organisch unterbauter Synthi-Pop à la frühe 80er, womit Porches in den späteren Zehner-Jahren Aufmerksamkeit und einigen Erfolg erlangte. Aber unter dem gelassenen elektronischen Fließen – das „Fließen“ darf ziemlich wörtlich verstanden werden, denn die entsprechenden Platten hatten inhaltlich viel mit Wasser zu tun – kristallisierte sich manche Eigentümlichkeit heraus, die diese Musik über gediegenes Retro-Handwerk hinaushob: Da konnte sich einmal einmal ein Jazz-Saxophon hineinverirren wie bei einer Cocktail-Party ein Unbekannter, der nicht auf der Gästeliste steht. Und bisweilen passierten emotionale Ausschläge, die auch nicht in dieses Ambiente zu gehören schienen.

Zwei Alben lang, „Pool“ (2016) und „House“ (2018), funktionierte dieses Konzept und legte Porches in der öffentlichen Wahrnehmung auf einen spezifischen Stil fest.

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In Wahrheit ist der Sänger, Songwriter, Multiinstrumentalist und Produzent Aaron Maine, der sich hinter dem Moniker verbirgt und diesen in erster Linie für seine Live-Band ins Leben gerufen hat, ein musikalischer Tausendfüssler, der vielerlei kann – Indie-Rock, Liedermacherei, Freistil und eben auch Electronica.

Maine, 1990 in Pleasantville in Upstate New York geboren, hat von den späten Nuller Jahren an Musik gemacht, unter eigenem Namen, aber auch als Aaron Maine And The Reilly Brothers, Space Ghost Cowboys oder unter dem bescheidenen Alias Sex God. Er war eine Zeit mit Greta Kline von Frankie Cosmos liiert, ist mit etlichen prominenten Musikern aus dem Indie-Bereich – Dev Hynes (Blood Orange), Alex G, Mitski oder Toro y Moi – befreundet und in kooperativem Austausch, hat aber etwa auch mit dem Tuareg-Songwriter Mdou Moctar zusammengearbeitet.

Porches bleibt indes fraglos sein gewichtigstes Projekt. Und dessen Geschichte beginnt 2013 mit dem phänomenalen Album „Slow Dance In The Cosmos“, einer Mischung aus intensivem Indie-Rock und akustischen Teilen mit Riesen-Songs wie dem existenzialistisch-tragischen „Jesus Universe“ oder „Franklin The Flirt“.

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Wenn Maine mit dem neuen Porches-Album „Shirt“ nun auf diese Musiksprache zurückgreift, so ist das also eine Art Full-Circle-Bewegung: Einmal Indie-Rock via Synthi-Pop und zurück.

Es scheint vor allem in den akustischen Songs auf „Shirt“ so, als wolle Maine hier definitiv an „Slow Dance In The Cosmos“ anknüpfen: das zauberhafte und in einem winzigen Detail  („Got a good good girl that I hide in the well„) abgründige „Joker“, „School“ oder „Voices In My Head“ hätten dort tatsächlich hingepasst. Grosso modo sind aber die Fußstapfen dieses Frühwerks für das neue Elaborat eine bis eineinhalb Nummern zu groß.

Das Problem liegt gewiss nicht beim Sound, dem die forcierte Dynamik durch die offensiven Gitarren durchaus gut ansteht, sondern zum einen, dass Maine, dessen Gesang immer schon melancholisch, oft klagend angemutet hat, mittlerweile, unterstützt durch Autotune, bisweilen in ein Raunzen verfällt, mit dem er glatt J Mascis Konkurrenz machen könnte.

Die Anmaßungen der Welt gegen das Individuum

Diskussionswürdig ist zum anderen auch die Art, wie der unverbesserliche Kettenraucher, der übrigens Robert Musil liest, hier die Texte anlegt. Das bezieht sich bei Gott nicht auf die ziemlich lakonischen sexuellen Passagen, sondern auf bisweilen fast ärgerlich absurde Motive wie „Tears on my something“, die anzudeuten scheinen, dass nicht nur der Welt, sondern auch dem Erzähler nicht zu trauen ist.
Und falls die Kürzel- und Stammelsprache, derer Maine sich insbesondere im Opener „Return Of The Goat“ befleißigt, sowas Ähnliches wie Sprachlosigkeit oder Sprachunvermögen infolge psychischer Desorganisation dokumentieren will, stellt er sich selbst als bestes Anschauungsbeispiel in Positur: „Knock knock / who’s there? / boo / boo hoo / knock knock“.

Aaron Maine, der rauchende Kopf von Porches © Jason Al-Taan

Tatsächlich ist das Thema von „Shirt“ ein universales Unbehagen, das sich aber nur diffus, vage, unklar Ausdruck verschaffen kann. Nihilismus ist in den Motiven, die Maine scheinbar wahllos und ohne überflüssige Bedenken um logische Zusammenhänge aneinanderreiht, als Topic auszumachen; Ärger über als anmaßend empfundene Ansprüche der Welt gegenüber dem Individuum könnte ein zentrales, vielleicht das zentrale Thema überhaupt sein – aber, wie gesagt, nix Genaueres weiß man nicht. Ärger per se ist allerdings viel herauszuhören, ebenso eine sich gegen alle Zumutungen auflehnende Lebensgier.

Wo es Maine gelingt, sich inhaltlich halbwegs zu konzentrieren, wie im aufbrausenden „Sally“, steigt der Spannungslevel der Platte gleich spürbar. Und wenn er am Ende in der Klavier-Ballade „Music“ mit einem elegischen Bekenntnis zu seinem Metier eine fast spirituelle Dimension erschließt, zeigt sich das Ausnahmepotential dieses Musikers.

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Porches: Shirt (Domino Records)

Wenn das neue Porches-Album wieder die Gitarren forciert, so ist das eine Art Full-Circle-Bewegung: Einmal Indie-Rock via Synthi-Pop und zurück.