Produktiver Steirischer Herbst
In der Steiermark ist der Oktober nicht nur für die Kürbisbauern eine gute Erntezeit. Auch die aus dem Land kommende Pop- und Rockmusik wirft ordentlich Ertrag ab, wie neue Alben von Marta, The Base, Ratrock Tot Sint Jans und Johnny Batard zeigen.
Für seinen Bandnamen Marta belehnte das aus Paul Plut (Stimme & Gitarre), Günther Paulitsch (Schlagzeug) und Julia Hager (Texte) bestehende Trio einen gleichnamigen Hurrikan, der 1969 in Panama gewütet hatte. Mit „shipwrecks“ (abgesang) hat dieser Tage – digital und auf Musikcassette; im Frühjahr 2025 geplantermaßen auch auf Vinyl – das dritte Album von Marta das Licht der Öffentlichkeit erblickt.
Es ist nicht nur das erste Album der Band seit fast zehn Jahren – es bildet auch den Abschluss des „Triangle Of Rawness“. Roh, unbehauen, unerbittlich, komplex und zugleich primitiv, auf jeden Fall mitreißend und energetisch. Mit ihrem ziemlich einzigartigen Mix aus Punk, Blues, Garagenrock und Melodic Hardcore gelingt es ihnen, Lärm, Energie, Emotion und Melodie gekonnt miteinander zu verknüpfen. Es dröhnt, es kracht, es scheppert, und doch behauptet sich Song für Song eine schwebende Melodie.
Die Songs haben Biss, die Gitarre sorgt für Lautstärke und Tempo, die unverwechselbare Stimme von Paul Plut für Gänsehaut und die energische Schlagzeugarbeit von Günther Paulitsch für erhöhten Pulsschlag. Das stilistische Spektrum umfasst neben ein paar räudig-unbehauenen Garagenrock-Krachern, den an Bob Mould erinnernden Songs „empty house“ und „full of laughter“, einen gelungenen Tribut an die Eels, „requiem for a bee“, und ein famoses Blues & Punk-Pastiche „raiffeisen bank international“.
Steirische Indie-Institution
Die Antwort auf die Frage, wer in den vergangenen drei Jahrzehnten die ideale Verkörperung eines genuinen Grazer Indiesounds darstellte, kann eigentlich nur The Base lauten. Das Trio Norbert Wally (Gitarre und Stimme), Albrecht Klinger (Bass) und Karlheinz Miklin Jr. (Schlagzeug) blieb sich über all die Jahre musikalisch treu und wurde mit langem künstlerischen Atem nicht nur zu einer der besten heimischen Bands, sondern auch zu einer Indie-Institution.
„It´s All Going South“ (Konkord) heißt ihr neues Album und die drei Musiker erweisen sich einmal mehr als kongeniale Vertreter klassischer und ewig junger Indieklänge. Musikalisch changiert das Trio zwischen krachend-knackigem Indierock, trocken-staubigem Folkrock Noir und geschmeidig-verführerischen Styrian Soul und Styrian Funk-Anmutungen, die sich in Norbert Wallys unverwechselbarer Stimme widerspiegeln.
Textlich überwiegen übel gelaunte Zustandsbeschreibungen einer immer unwägbarer und bedrohlicher werdenden Gegenwart – „And everything goes to hell / And God is not around to save us“. Zwischendurch lassen die drei Musiker aber selbstironisch ein wenig Humor aufblitzen, wie der Songtitel „Chemically Speaking Alcohol Is Still A Solution“ beweist.
Auf „It´s All Going South“ ziehen The Base alle ihnen zur Verfügung stehenden musikalischen Register und liefern so eines ihrer besten Alben ab. Auf keiner ihrer unzähligen Produktionen sind Kraft, Kompaktheit, Frische und Können des Trios so eng gepaart wie auf dieser.
Neues aus dem Hause Pumpkin
Auch das im weststeirischen Wies angesiedelte Independent-Label Pumpkin Records hat zwei überaus hörenswerte Tonträger veröffentlicht. Patrick Möstl, der als Solo-Künstler als Ratrock Tot Sint Jans firmiert, hat mit „Gotik Junkyard“ ein Album produziert, auf dem er sich auf die Outlaws der amerikanischen Musiktradition beruft und es gekonnt versteht, deren Manierismen und Mythen ins Hier und Jetzt zu holen.
Möstl setzt sehr stark auf die Magie des Moments und verfeinert und veredelt seinen Soundkosmos mit einer harmonierenden Gruppe von Musikern aus seinem Umfeld – Klaus Wohlgemuth und Paul Pfleger (Tiger Family), Benedikt Brands (My Friend Peter) und Siegfried Franz Ulrich (Jigsaw Beggars) haben ihn bei dieser Produktion unterstützt. Fragile Balladen stehen neben eigenwilligen Folkrockvariationen, verschrobene LoFi-Popsongs neben Exerzitien in Americana. Und alles beugt sich dem Primat der Entschleunigung. Überhaupt klingt hier alles so zurückgenommen, dass es schon wieder hervorsticht.
„Johnny´s Jacuzzi“, das mittlerweile dritte Album von Johnny Batard, bietet dagegen einen gelungenen musikalischen Spagat zwischen Genialität und Dilettantismus. Wer es klar und eindeutig mag, ist bei diesem Album weniger gut aufgehoben.
Johann Zuschneg alias Johnny Batard mag es lieber ungewöhnlich, vielfältig und unverwechselbar und arbeitet mit zahlreichen musikalischen Zitaten, Verweisen und Referenzen. Mit schräger Stimmlage und erfrischendem DIY-Optimismus wechselt Johnny Batard zwischen Englisch und Deutsch und überzeugt mit unverbrauchten und ungeschliffenen Sounds und gewitzten Songs. Ein absolutes Hörvergnügen.