Royale Wiederkehr

Waren Queen die beste Live-Band der Welt? - Eine Erörterung anhand des als Video (neu) verfügbaren Konzerts 1981 in Montreal.

Von
18. Juni 2024

Queen Rock Montreal (Universal, als CD, LP & Video)

So viel Queen war schon lange nicht (mehr). Nicht die britische Langzeitregentin, die bekanntlich am 8. September 2022 endgültig das Zeitliche segnete, sondern die englische Rockband, die immerhin auch seit knapp 33 Jahren nicht mehr existiert, zumindest – seit Freddie Mercurys Tod am 24. November 1991 – nicht in Originalbesetzung, auch wenn sie danach noch in einigen erweiterten (Um-)Besetzungen auftrat.

Queen is still alive – und zwar in unterschiedlichsten Erscheinungsformen und Roben: Da ertönte etwa zuletzt, wie in all den Jahren zuvor, bei jedem europäischen Klubfußballfinale ihre Hymne „We Are The Champions“ (und wir werden sie am 14. Juli, beim EM-Finale in Berlin, verlässlich wieder hören).
Dann gab es die Meldung, wonach der Musikkatalog der Gruppe zum Verkauf ansteht, und die verbliebenen Queen-Mitglieder sich angeblich bereits mit einem exklusiven Käufer einig seien – und zwar für die kolportierte Wahnsinnssumme von 1,2 Milliarden US-Dollar (womit erstmals im gesamten Pop-Geschäft die Milliarden-Grenze durchbrochen würde). Und seit Mai ist nun auch das im November 1981 an zwei Abenden in Montreal aufgezeichnete Konzert der Band als Tonträger und 4K-Video, neu aufgelegt, (wieder) erhältlich.

Aus datenschutzrechtlichen Gründen braucht YouTube eine Zustimmung, um geladen zu werden. Für weitere Information, bitte unsere Datenschutzerklärung lesen.
Inhalte laden

Königliche Zeiten für eine Band, bei der man – auch aufgrund ihrer vielen stilistischen Wendungen & Wandlungen – nie ganz sicher sein konnte, wo sie rock- und pophistorisch eigentlich einzuordnen ist. Und auf welchem – natürlich sowieso fiktiven – Rang, was Beliebtheit und Qualitätskriterien anbelangt. Auch wenn ihr Name von Beginn an und per definitionem gar keinen Zweifel (zu-)ließ, wo sie sich selbst in solch einer stets zweifelhaften Wertung sehen: denn am Thron kann es bekanntlich immer nur eine(n) geben.

Rock, Drama & Pathos

Aber wenn man – neben den genannten Katalogsummen und den sonstigen Fantastilliarden ihrer weltweiten Verkäufe – das stete Fortleben des royalen Quartetts über all die Jahrzehnte hinweg in leibhaftiger Form und in medialen Kontexten samt universellen Einflusssphären (die, um regional zu werden, bis zu Austrofred reichen), heranzieht – tja, dann könnte man schon zu dem nicht sehr gewagten Schluss gelangen, dass es sich bei Queen tatsächlich um die größte und vielleicht auch beste Live-Rockband aller Zeiten handelt.

Der Konzertmitschnitt „Queen Rock Montreal“ liefert dafür auf Qualitätsebene keine schlechten Belege. In knapp elf Jahren – von der Gründung 1970 bis zum Zeitpunkt des Montreal-Konzerts, eben 1981 – ist ein erstaunlich heterogenes, nahezu alle Spielarten zeitgenössischer Rockmusik umfassendes Programm entstanden, angereichert mit jeder Menge Drama, Pathos und anderen Versatzstücken klassischen Bühnengeschehens. All das zeigt das Video mit insgesamt 25 Stücken auf beeindruckende Weise. Die beiden Konzerte im „Forum“ der kanadischen Stadt, die Regisseur Paul Swimmer damals auf Film fixierte (wofür er doppelt anamorphisches 35mm-Bildmaterial verwendete, damit es auf eine riesige fünfstöckige Leinwand projiziert werden konnte), tragen die immense Live-Energie, die das Quartett entfachte, problemlos bis in die Gegenwart. Man wird davon selbst mehr als vier Jahrzehnte später noch buchstäblich elektrisiert.

Auch in bunter Vinyl-Fassung erhältlich… (c) Universal

Vor allem das Duo M & M, also Mercury und May, zieht mit seinem druckvollen und doch stets bis in die kleinsten musikalischen Kapillaren einzelner Songs präzisen Zusammenspiel in seinen Bann. (Was man etwa von Jagger & Richards so nicht allzu oft gesehen hat – und wohl auch nicht mehr wird …) Unterstützt wurden die beiden Queen-Primadonnen dabei von den Rhythmus-Haudegen John Deacon (Bass) und Roger Taylor (Drums), beide keine Virtuosen oder Zampanos (verglichen etwa mit John Entwistle oder Keith Moon von The Who), aber doch von verlässlicher Solidität – und sich ihrer bühnentechnischen Zweitrangigkeit stets bewusst.

Brian Mays Zaubergitarre

Auch Roger Taylor ist, wie er in einem Interview zur Wiederveröffentlichung verrät, bis heute angefixt von den damaligen Darbietungen: „Es ist faszinierend jetzt zu realisieren, wie frei wir 1981 auf der Bühne waren. Freddie wiederzusehen […] und nur wir vier als Teil von Queen. Es ist, als wäre man mit der Band auf der Bühne, weil die Kameraaufnahmen so hochauflösend für die damalige Zeit sind. Ich habe noch nie etwas gesehen, das einen so von der Performance vereinnahmt hat.“

Vor allem der Umstand, dass tatsächlich nie mehr als vier auf der Bühne standen, keinerlei Begleit- oder Ergänzungsmusiker (wie heutzutage bei jeder mittelmäßigen Band üblich), erstaunt und fasziniert aufgrund des satten, ja stellenweise richtig fetten Sounds, der sich vor allem Brian Mays Zaubergitarre verdankt, die der Lockenkopf mitunter wie ein ganzes Orchester klingen lässt, bei trotz großem persönlichen Bewegungsradius’ stets virtuoser Handhabung. (Hier kann & will ich mir einen weiteren Vergleichshinweis zu Keith Richards nicht verkneifen, dessen Leistung freilich schon seit Jahrzehnten weniger in Beiträgen zu musikalischer Finesse denn in schierem – nicht nur artistischem – Überleben besteht…).

Bis auf die obligaten choralartigen Passagen bei „Bohemian Rhapsody“ kommen ansonsten keinerlei Einspielungen von außen. Es ist alles Livematerial der Band, und nicht vom Band, sozusagen. Das hat sich in späteren Zeiten geändert, so wie auch notgedrungen der Gesangspart, der bekanntlich zuerst von Paul Rodgers (2004-2009), später dann von Adam Lambert (2011-2022) übernommen wurde, die naturgemäß nicht ans Freddie-Original heranreich(t)en, aber immerhin ihr Bestes gaben, sodass auch spätere Generationen zumindest noch einen halbwegs adäquaten Eindruck von der Live-Dominanz dieser unvergleichlichen Band erhalten konnten. (Eine jüngere Bekannte, die als Schülerin via Queen-Texten Englisch gelernt hatte, versicherte mir erst kürzlich, wie froh sie war, die Band – mit Lambert – überhaupt einmal live erleben zu dürfen.)
Es steht ja zu vermuten, dass Led Zeppelin – zweifellos eine der (wenigen) anderen Anwärter auf den Rock-Thron – nur deshalb nach Robert Plants Weigerung weiterzumachen auf einen Ersatzsänger verzichteten, weil der Vokalist eben noch lebt (und wirklich nur äußerst schwer – vorstellbar – zu ersetzen wäre).

Aus datenschutzrechtlichen Gründen braucht YouTube eine Zustimmung, um geladen zu werden. Für weitere Information, bitte unsere Datenschutzerklärung lesen.
Inhalte laden

„Queen Rock Montreal“ fällt mit einer flotten Version von „We Will Rock You“ sozusagen gleich mit der Brettertür ins Haus, während die „langsamere“ Fassung dann erst als übliche Zugabe zum Schluss kommt (noch vor „We Are The Champions“), bevor – wie auf einer Song-Perlenschnur – Hit auf Hit folgt (eben dem 1981 kurz zuvor veröffentlichten Sampler „Greatest Hits (1)“ folgend, der bis heute mit rund 31 Millionen die meistverkaufte Queen-Platte ist), also von „Play The Game“, „Somebody To Love“, „Get Down, Make Love“, „Love Of My Life“ – schon sehr viel Love am Stück! – bis zu „Under Pressure“, „Crazy Little Thing Called Love“ (schon wieder!) und natürlich der „B-Rhapsody“ sowie „Another One Bites The Dust“ und „Keep Yourself Alive“.

Gerade letzteres Motto ist, mitreißend hymnisch intoniert, quasi zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung geworden – zumindest für das Band-Imago, wenn auch leider nicht für Freddie Mercury, der damals – im übrigens ersten Jahr seiner Schnurrbarträger-Existenz – zum Finale der Show nur noch mit einem kleinen, neckisch weißen Höschen bekleidet auf der Bühne herumtrippelt. Es reicht ja oft so wenig, um bei so vielen lebenslang in Erinnerung zu bleiben.

Queen Rock Montreal (Universal, als CD, LP & Video)

In knapp elf Jahren – von der Gründung 1970 bis zum Zeitpunkt des Montreal-Konzerts, 1981 – ist ein erstaunlich heterogenes, nahezu alle Spielarten zeitgenössischer Rockmusik umfassendes Programm entstanden