Runter damit!

Trotz geringer Lagerfähigkeit, was zumindest für seine alkoholischen Pendants gilt, hat sich der Song "Summer Wine" gut gehalten - und vor allem in der Schlagerszene für viele Coverversionen gesorgt. Aber nicht nur dort.

Von
27. August 2024
Under Cover

Erst mit dieser Fassung, die 1966 erschien, kam der große Erfolg... (c) keith records

In Wien zumindest war der Sommer, mit Rilke gesprochen, „sehr groß“. Wer die Hitze mag, kam auf seine Kosten, und wer abends bei lauen Temperaturen lange mit einem alkoholischen Getränk auf dem heimischen Balkon sitzen wollte, brauchte ordentlich Vorräte an einschlägigen Drinks. Dazu gehören neben den beliebten Bobo-Spezialitäten wie Aperol Spritz & Co. natürlich auch die sogenannten Sommerweine. Wikipedia definiert sie als „fruchtbetonte, spritzige und leichte Weine mit wahrnehmbarer Mineralität“ –– und geringer Lagerfähigkeit. Sprich: Den nächsten Sommer sollten sie besser nicht erleben, also runter damit.

Aus datenschutzrechtlichen Gründen braucht YouTube eine Zustimmung, um geladen zu werden. Für weitere Information, bitte unsere Datenschutzerklärung lesen.
Inhalte laden

Der Sommerwein steht aber natürlich auch für ein Lebensgefühl, das mit den obigen Getränkemerkmalen gar nicht schlecht beschrieben ist. Und ein Song hat mit Sicherheit dazu beigetragen, dieses „leichte, spritzige“ Feeling zu kultivieren. 1966 wurde „Summer Wine“ veröffentlicht, geschrieben vom Country-Sänger Lee Hazlewood und eingesungen zusammen mit Suzi Jane Hokom. Es geht darin, abwechselnd erzählt von ihr und ihm, um eine sommerliche Eskapade. Ein Mann mit silbernen Sporen kommt in die Stadt und wird von einer Frau verführt, ein wenig „Zeit mit ihr zu verbringen“ (man ahnt, was sich dahinter verbirgt, aber in den prüden USA der 1960er Jahre war noch kein Platz für „explicit lyrics“ samt warnender „parental advisory“). Als Lockmittel dient neben der weiblichen Sinnlichkeit besagter „Summer Wine“, bei dem es sich allerdings eher um eine wuchtige Fruchtbowle gehandelt haben dürfte. Das Ende vom Lied ist jedenfalls: Der Herr ist irgendwann stockbesoffen, und als er mit schwerem Kopf („my head felt twice its size“) aufwacht, sind Silbersporen und Geld mitsamt der Frau verschwunden.

Under Cover, Folge 2 (Siehe auch Einführung und Folge 1 über „Hey Joe“; Cartoon: Margit Krammer)

Seltsamerweise fand diese erste Version kaum Beachtung. Erst als Hazlewood noch im gleichen Jahr eine weitere, weniger countryeske, dafür orchestralere Version zusammen mit Nancy Sinatra (Tochter des großen Frank S.) vorlegte, kam der Erfolg – vermutlich auch dadurch bedingt, dass ein paar Monate zuvor „These Boots Are Made for Walkin‘“, geschrieben von Hazlewood, gesungen von Nancy Sinatra, die Charts gestürmt hatte.

Mit seiner leicht lasziven Sommerseligkeit war dieser Song offenbar ein gefundenes Fressen vor allem für die Schlagerszene: Schon bald erschien eine herrliche deutschsprachige Coverversion von Nana Gualdi und Ralf Paulsen (Letzterer wurde vor allem durch seine deutsche Version des „Bonanza“-Titelsongs berühmt). Roland Kaiser konnte der Verlockung ebenso wenig widerstehen wie der schillernde Grieche Demis Roussos oder in jüngerer Zeit Claudia Jung. Dabei rückt die sinnlich-erotische Dimension des Songs stärker in den Vordergrund. Bei Jung (die ihre Version zusammen mit der österreichischen Schlagergröße Nik P. zum Besten gibt) ist am Ende von ihrer Seite durchaus Lust auf mehr, aber er ist vom Sommerwein, „süß und wild“, so sturzbesoffen, dass er zu nichts mehr zu gebrauchen ist.

Aus datenschutzrechtlichen Gründen braucht YouTube eine Zustimmung, um geladen zu werden. Für weitere Information, bitte unsere Datenschutzerklärung lesen.
Inhalte laden

Eine englisch-französische Version (Alex Kapranos & Clara Luciani) gibt es ebenso wie eine italienische (Dalida), und Letztere ist zusammen mit der der jungen Cœur de Pirate eine der wenigen, die nicht im Duett gesungen werden. Ansonsten erstaunt, dass es nicht wirklich originelle, vom Original stärker abweichende Coverversionen gibt. Witzig sind die der Grazer Band The Base, die so breitbeinig wie breit daherkommt, und die des Wiener Untergrundirrlichts Ronnie Urini. Sehr hörenswert ist auch die mit einem Hauch Latin und Wüste angereicherte Variante der wunderbaren Desert-Rock-Band Xixa aus Tucson, Arizona.

Meine persönliche Lieblingsversion aber ist eine elektronische: die dänische Sängerin Gry im Duett mit FM Einheit, einstmals unverzichtbarer Bestandteil der Einstürzenden Neubauten. Da wird dem Sommerwein ein kräftiger Schuss Triphop beigemischt. Schmeckt großartig. Und steigt garantiert nicht zu Kopfe.

Under Cover

Erst mit dieser Fassung, die 1966 erschien, kam der große Erfolg... (c) keith records