Tempo, Dynamik, großes Sentiment
Sehr animiert gibt sich die gestandene Liverpooler Formation Circa Waves auf ihrem sechsten Album „Death & Love Pt.1“.
In den frühen Nuller-Jahren tauchte im Schatten der dominierenden Retro-Punk-Rock-Bands ein eigentümliches Phänomen auf: nämlich eine Reihe von Bands, die sich irgendwie kindisch anhörten, obwohl sie durchwegs gute Texte hatten.
Allesamt hatten sie Sänger, die wie frisch dem Stimmbruch entwachsen klangen, meist eher kurze, schnelle, heftige Songs und verstanden sich dabei – ein nicht unwesentlicher Faktor ihres juvenilen Appeals – auch auf eingängige Melodien.
Bands wie Fountains Of Wayne (mit dem früh und tragisch an Covid verstorbenen Songschreiber Adam Schlesinger), die kanadischen Hot Hot Heat, Wheatus (in Erinnerung hauptsächlich für ihren Smash-Hit „Teenage Dirtbag“) und auch die britischen Kooks – die einzigen aus dieser Generation mit noch einigermaßen aktuellem Stellenwert – haben diese Liga repräsentiert; einen österreichischen Ableger fand sie später in den frühen Pauls Jets.
Circa Waves aus Liverpool scheinen an diese Spielart anzuknüpfen. Ihre eindeutig an Punk und Power-Pop geschulte Musik signalisiert meist latente bis akute Explosionsgefahr, ist aber auch mit dem Balladenfach ganz gut vertraut. Und dazu haben sie mit Kieran Shudall einen Mann am Mikro, der (immer noch) klingt, als würde er noch zur Schule gehen und statt seine Hausaufgaben zu machen mit Kumpels aus der Klasse Garagen und Teenager-Parties beschallen.
Dabei ist Shudall 37 Jahre alt und wird wohl den Tag früh im Jahr 2023, an dem er erfolgreich gegen eine Arterien-Verstopfung am Herzen operiert worden ist, als seinen zweiten Geburtstag feiern. Von diesem dramatischen Punkt, da sein Leben an einem seidenen (chirurgischen) Faden hing, vermittelt das neue, insgesamt sechste Circa Waves-Album indes allenfalls im Titel „Death & Love Pt. 1“ eine Ahnung.
Großteils nämlich kreisen die Texte um Liebessehnen und die kommunikativen, verhaltensseitigen und psychischen Hürden, die seine Erfüllung zumindest erschweren. Der Opener „American Dream“ spielt wiederum mit dem Motiv Liverpooler-in-New-York-der-Stadt-die-niemals-schläft. Das klingt enthusiastisch, so wie ja auch das Versprechen vom „American Dream“ im Titel, aber Shudall erzählt vom Alleinsein und Spazieren im Central Park bei Dunkelheit, was eher nach Selbstmord mit Anlauf klingt, und auch im Video vermittelt der Musiker keineswegs einen glücklichen Eindruck in seinem (angeblichen oder vermeintlichen) neuen Lebensraum.
Die Musik allerdings ist erfüllt von Tempo, Dynamik, großem Sentiment, das sie manchmal fast in die Nähe klassischer Phil–Spector-Produktionen rückt, und kocht im Zentrum (sprich: der Mitte der LP) in „Hold It Steady“ zu hymnischer Gefühlsaufwallung hoch.
Nicht schlecht ist auch, wie sich der letzte, „Bad Guys Always Win“ betitelte Song nach heftigem Galopp auf eine beschauliche Gangart einschleift – und am Ende die pessimistische Aussage wiederholt und solchermaßen verstärkt. Ganz langsam, zum Mitschreiben: Die Bösen gewinnen immer.