„Was mir gefällt, das mache ich“

Das steirische Independent-Label Pumpkin Records wurde von Begründer Wolfgang Pollanz an Gabriel Schmidt übergeben. Ein Gespräch mit dem scheidenden und dem neuen Label-Chef.

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21. August 2024
Pumpkin Records
Pump 2

Wolfgang Pollanz (l.) und Gabriel Schmidt mit ihrem gemeinsam kuratierten Sampler "Have A Minute" (c) Katharina Sieghartsleitner

Die Marktgemeinde Wies in der Weststeiermark zählt (zurzeit) 4650 Einwohner. Kaum wer würde vermuten, dass eines der interessantesten Independent-Plattenlabels Österreichs ausgerechnet hier beheimatet ist. Nach zweieinhalb Jahrzehnten und 149 Veröffentlichungen übergab Wolfgang Pollanz heuer die Führung des Labels Pumpkin Records an Gabriel Schmidt. Zur Amtsübergabe erschien mit „Have A Minute?“ ein von beiden gemeinsam kuratierter Vinyl-Sampler (pump 150) mit einundvierzig Songs, von denen keiner länger ist als eine Minute (siehe bzw höre auch die angefügte Playlist!) Grund genug, sich mit dem scheidenden und dem neuen Chef über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Plattenlabels zu unterhalten.

Heimo Mürzl: Wann hast du, Wolfgang, die Idee gehabt, ein Plattenlabel in Wies zu gründen – und wie waren die ersten Reaktionen darauf?

Wolfgang Pollanz: Ich interessierte mich immer schon sehr für Pop-und Rockmusik und nachdem ich bei der Kulturinitiative Kürbis (die auch einen Verlag, die Edition Kürbis, und ein Theater, das Theater im Kürbis, beherbergt, Anm.) mitzuarbeiten begonnen hatte, habe ich vorgeschlagen, auch Konzerte zu veranstalten. Die restlichen Mitglieder des Kulturvereins waren zuerst ein wenig skeptisch. Zu diesem Zeitpunkt möglicherweise mit gutem Recht, denn ich hatte ja keinen Masterplan, sondern nur Ideen…

Der Start war also ein wenig holprig. Und dann?

Mit dem Aufkommen der CD wurde es einfacher und billiger, ein Album aufzunehmen und zu veröffentlichen. 1998 entstand die Idee, einen Sampler mit Künstlern und Bands aus der Region zu produzieren – und wenige Monate später erschien als erste Pumpkin Records-Produktion der „Unten.Sampler“. Diese Veröffentlichung konnte noch nicht sehr viel Aufmerksamkeit lukrieren. Das änderte sich aber bereits mit der fünften Veröffentlichung

Du sprichst vom „Heimat“-Sampler

Da hast du gut recherchiert. Unter der ersten blau-schwarzen Regierung hatte ich zunehmend Probleme mit dem damals propagierten Heimatbegriff und habe Künstler eingeladen, sich mit diesem Thema musikalisch zu befassen. Das Ergebnis war der „Heimat“-Sampler (pump 05), der 2001 veröffentlicht wurde und Pumpkin Records erstmals überregionale Aufmerksamkeit bescherte. Ich habe diese „Heimat“-CD auch Fritz Ostermayer zugeschickt – und der hat sie bis auf eine Nummer vollständig in seiner Radiosendung („Im Sumpf“, FM4) präsentiert. Kurz darauf erschien auch im „Standard“ eine wohlwollende Besprechung, woraufhin viele Musiker Kontakt mit mir aufnahmen, unter anderem Franz Adrian Wenzl aka Austrofred und Ernst Tiefenthaler. So konnten wir langsam auch im Wiener Raum Fuß fassen.

Wolfgang Pollanz: Mein Ansatz ist radikal subjektiv… (c) Katharina Sieghartsleitner

In eurem Werkkatalog fällt auf, dass das Format Sampler/Kompilation einen zentralen Platz einnimmt. Wieso?

Das hat sicher damit zu tun, dass ich in den Anfangsjahren die Zielsetzung hatte, jungen, noch wenig bekannten Künstlern aus der Region eine erste Chance zu einer Veröffentlichung zu geben. Und für diese Ausrichtung ist das Format Sampler ideal. Später gesellten sich vermehrt Sampler zu Themenschwerpunkten dazu, wobei es sich um alte und neue Kinderlieder („Sing Sang Song“ und „Sing Sang Song 2“), Lyrik-Vertonungen („Poem/e/s“) oder einen Sampler mit Höhepunkten aus den ersten zwanzig Labeljahren („100“) handelte. Auch unsere erste Veröffentlichung auf Vinyl im Jahr 2010 war ein Sampler: „33 1/3“ (pump 33 – 2010). Besonders hinweisen möchte ich auch auf den Sampler „Schubert Is Not Dead“ (pump 21 – 2007), auf dem sich mit der Interpretation von „Im Dorfe“ eine der ersten Aufnahmen von Anja Plaschg aka Soap & Skin befindet.

Kannst du deine Veröffentlichungspolitik in wenigen Worten zusammenfassen?

Mein Zugang ist radikal subjektiv. In einem Satz: Was mir gefällt, das mache ich. Zudem war mir, wie gesagt, immer die Verbundenheit zur regionalen Herkunft wichtig, und zugleich eine Offenheit für Experimentelles, Neues, Alternatives. Mir ging es immer darum, die Vielfalt musikalischen Schaffens abzubilden. Von Bell Etage und The Base über Fragments Of An Empire und Matthias Forenbacher bis zu Thalija und Tiger Family. Und da hat auch der Schauspieler Johannes Silberschneider Platz, der seine Karriere als Sänger und Musiker begann. Sein Album „Johnny Silver Is Coming To Town“ zählt zu den besonderen Fundstücken in unserem Werkkatalog.

Was war die erfolgreichste Veröffentlichung?

Jene von Oliver Mally – der trägt nicht umsonst einen „Sir“ in seinem Künstlernamen. Das Album „,Sir’ Oliver Mally Plays Dylan“ (pump 108 – 2019) mit Dylan-Coverversionen verkaufte sich so gut, dass eine zweite Pressung notwendig wurde.

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Wenn wir über die erfolgreichste Veröffentlichung sprechen, müssen wir auch über die Wirtschaftlichkeit eines Plattenlabels sprechen.

Hier sage ich ganz aufrichtig: Ohne öffentliche Subventionen gäbe es ein solches Label wie Pumpkin Records nicht. Sie sind unbedingt erforderlich. Und das, obwohl wir pro Jahr eh nur eine Produktion völlig ausfinanzieren. Beim Rest stellen wir die Pressearbeit und den Vertrieb zur Verfügung, während die Künstler für die Produktion selbst aufkommen. Anders geht das gar nicht, wenn man drei bis fünf Veröffentlichungen pro Jahr realisieren will.

Und was wurde eigentlich aus dem Vorhaben, Konzerte in der Region zu veranstalten?

Damit habe ich relativ bald wieder aufgehört, weil sich die Masse der Besucher lieber dem Alkoholkonsum und dem Tratsch und weniger den musikalischen Darbietungen gewidmet hat. Das Format „Rock in der (Schloss)Tenne“ konnte sich nie etablieren.

Du hast dieses Plattenlabel jetzt zweieinhalb Jahrzehnte geführt. Wie ist es zur Übergabe an Gabriel Schmidt gekommen?

Schon vor zehn Jahren, anlässlich meines 60.Geburtstages, habe ich zu überlegen begonnen, das Plattenlabel in jüngere Hände zu geben. Letztlich hat es aber zehn Jahre gedauert, ehe mit Gabriel Schmidt ein Nachfolger gefunden wurde. Wichtig war mir, dass auch er in der Region verankert ist.

Hast du, Gabriel, lange überlegen müssen, ob du Wolfgang Aufgaben bei Pumpkin Records übernehmen willst?

Gabriel Schmidt: Nein. Ich habe mich gefreut und sehr rasch zugesagt. Ich sehe das Ganze als freudvolle Herausforderung und möchte den großen Fußstapfen von Wolfgang gerecht werden. Die Übergabe erfolgte ja fließend. Den Sampler „Have A Minute?“ (pump 150) haben wir bereits zusammen gemacht – und die Auswahl der 41 Künstler darauf bildet den sanften Übergang von Wolfgang zu mir schon ein wenig ab.

Darf man sich unter deiner Label-Führung eine Neuausrichtung erwarten?

Gabriel Schmidt: Ich möchte einen neuen Anlauf nehmen und wieder mehr Konzerte veranstalten…  (c) Katharina Sieghartsleitner

Grundsätzlich nicht. Die radikal-subjektive Auswahl der Veröffentlichungen werde auch ich beibehalten. Wobei meine musikalischen Vorlieben sich von jenen Wolfgangs doch etwas unterscheiden und dadurch eine leichte Veränderung wohl spürbar sein wird. Was ich aber jetzt schon konkret sagen kann: Ich werde pro Jahr ein, zwei Veröffentlichungen weniger machen, um die Presse- und Vertriebsarbeit zu intensivieren und die bei uns veröffentlichten Künstler und Bands wirklich nachhaltig unterstützen zu können. Und ich möchte einen regen Austausch mit anderen österreichischen Plattenlabels pflegen.

Und vielleicht auch Live-Events veranstalten?

Ja, ich möchte einen neuen Anlauf nehmen und wieder mehr Konzerte veranstalten. Dazu gibt es zwei schon sehr konkrete Vorhaben: Einerseits wird es im Atelier im Schwimmbad die Konzertreihe „Schwimmbadrauschen“ geben. Die erste Ausgabe fand mit Lukas Maier alias The Magical Misery Tour bereits im März dieses Jahres statt – und im Oktober kommt Johnny Batard mit seinem neuen Album „Johnny´s Jacuzzi“ . Andererseits werden wir im kommenden Jahr wieder ein Festival veranstalten – mit Konzerten in der Schlosstenne Burgstall, mit einem überregionalen und attraktiven Headliner, tagsüber Workshops und einem DJ-Set zum Abschluss im Schwimmbad. Das Festival soll dann jedes Jahr stattfinden und junge Leute aus der Region und darüber hinaus nach Wies locken.

Womit ist in diesem Jahr noch zu rechnen?

Im September erscheint, wie gesagt, das dritte Album von Johnny Batard („Johnny´s Jacuzzi“, Albumrelease-Konzert am 27.9. im Grazer Kunst Klub Kräftner) und Ende des Jahres das neue Solo-Album von Patrick Möstl alias Ratrock Tot Sint Jans („Gotik Junkyard“, Albumrelease-Konzert im Grazer Cafe Kork am 8.9.). Woran man ein Nebeneinander von Kontinuität und Neuanfang erkennen kann: Johnny Batard veröffentlicht das erste Mal bei Pumpkin Records, Patrick Möstl hingegen ist sowohl mit seiner Band Tiger Family als auch als Solokünstler (Ratrock Tot Sint Jans) ein langjähriger Wegbegleiter unseres Labels.

Hinweise:
Den vollständigen Werkkatalog von Pumpkin Records findet man auf DISCOGS

Weitere Informationen hier:

Transparenzhinweis:
Heimo Mürzl hat gemeinsam mit Wolfgang Pollanz die Bücher „Noch mehr Lärm – Ein Pop-Lesebuch“ und „Zum Fressen gern. Eine tierische Anthologie“ in der Edition Kürbis herausgegeben.

Pumpkin Records
Pump 2

Wolfgang Pollanz (l.) und Gabriel Schmidt mit ihrem gemeinsam kuratierten Sampler "Have A Minute" (c) Katharina Sieghartsleitner

"Mir war immer die Verbundenheit zur regionalen Herkunft wichtig, und zugleich eine Offenheit für Experimentelles, Neues, Alternatives." (Wolfgang Pollanz)