Zärtlichkeit und Rohheit

Das irische Quintett Fontaines D.C. präsentiert auf seinem neuen Album „Romance“ Postpunk in all seiner Vielfältigkeit – und überrascht mit epischen Balladen.

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7. September 2024

Fontaines D.C.: Romance (XL Recordings / Beggars / Indigo)

Blickt man auf die bisherige Karriere der irischen Band Fontaines D.C., erkennt man eine interessante Entwicklung. Das erste Album, „Dogrel“, überzeugte mit roher Energie, juveniler Frische und wütenden Satzkaskaden, und Sänger und Frontmann Grian Chatten sang von „Boys In The Better Land“. Das zweite Album, „A Hero ’s Death“, erzählte vom Aufbruch in dieses „Better Land“, während das dritte Album, „Skinty Fa“, sich mit Identitätsfragen und Heimatverbundenheit beschäftigte und vom Leben in der Diaspora berichtete.

Musikalisch blieb man stets dem Postpunk-Genre treu, reicherte den wiedererkennbaren Sound aber geschickt mit Garage-, Madchester– und Indierock-Einflüssen an. Das irische Quintett hielt sich an das Motto „Immer dasselbe, immer anders“, arbeitete aber gekonnt und mit viel Verve Album für Album an der Weiterentwicklung ihres eigenen Sounds.

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Für ihr soeben veröffentlichtes viertes Album, „Romance“, hat sich die Band mit James Ford (Arctic Monkeys, Depeche Mode, Pet Shop Boys, Blur) einen neuen Produzenten geholt, der den originären Soundkosmos des Quintetts aus Dublin mit mehr Pop-Appeal und einem höheren Melodieanteil ausstattete. Die Fontaines D.C. des Jahres 2024 überzeugen mit Songs, deren Klang-Architektur Independent-Music der 90er, die Lust am Krawall und den Sinn für Melodien hörenswert auf einen größtmöglichen gemeinsamen Nenner bringen. Die ihnen eigene Mischung aus Wut, Rüpelhaftigkeit und Schwermut verarbeiten die Musiker in elf Songs, die mit einer vielfältigen Auswahl von Einflüssen und Stilrichtungen – Britpop, Dreampop, Triphop bis hin zu dezenten Disco-Vibes – zu überzeugen weiß, ohne je auszufransen und den musikalischen Zusammenhalt zu verlieren.

Die Lyrics erzählen von Panikattacken und Überforderung, Sehnsüchten und Hoffnungen, Aufbrüchen und Abstürzen – und von „Romance“ als Traum von einem anderen, besseren Leben. Die irischen Musiker werden Rio Reiser, den einstigen deutschen Sänger von Ton, Steine, Scherben wahrscheinlich nicht kennen – und doch könnte ein Rio-Reiser-Song, „Der Traum ist aus“, als Motto für ihr Album gedient haben: Der Traum ist aus, aber ich werde alles geben, damit er Wirklichkeit wird.

Das Album eröffnet der Titelsong „Romance“, der mit düsteren Synthesizerklängen, schweren Beats und dunkel grollenden Riffs eine sehr spezielle Ausformung von Romantik beschwört. Die passende Einleitung für ein Album, auf dem Fontaines D.C. eine fesselnde musikalische Gratwanderung zwischen Zärtlichkeit und Rohheit, Melancholie und Euphorie, Romantik und Realität unternehmen.

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Das weitere stilistische Spektrum umfasst u.a. vertonte Panikattacken mit HipHop-Touch („Starburster“), streicherverzierte Britpop-Hymnen („Bug“), epische Balladen im Lana-Del-Rey-Stil („In The Modern World“) und zwei Songs als gelungenen Tribut an Blur („Death Kink“ und „Favourite“). Auf ihrem Debütalbum „Dogrel“ findet sich die von Sänger Grian Chatten mit markantem irischen Akzent gesungene Textzeile „My Childhood Was Small / But I´m Gonna Be Big“. Jetzt sind sie es tatsächlich. Wer braucht da ein Oasis-Comeback?

Fontaines D.C.: Romance (XL Recordings / Beggars / Indigo)