Ein Tanz durch die Hallen der Lethargie

Auch das zweite Album der Grazer Formation Rote Augen wartet mit einigen Kalibern auf: Live am 4. Mai in Wien

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21. März 2024

Rote Augen: Augenblicke (Alte Dame Records)

Vor vier Jahren bekam die ohnedies schon seit Langem superb besetzte Liga deutsch singender österreichischer Rock-Bands mit dem Sextett Rote Augen aus Graz einen hochkarätigen Zuwachs: Sein Debütalbum „Augenlieder“ vermischte animierten Bläser-Rock in der Art der Aeronauten, Funk- und Hard-Rock, vertrackte Vokal-Arrangements und Psychedelic Pop mit (ober)schlauen, gerne auch kryptischen Texten zu kleinen oder auch größeren Pop-Kunstwerken mit Anspruch auf Diskursfähigkeit.

Platte Nummer zwei, wieder mit einem neckischen, die Mehrzahl des Sehorgans paraphrasierendem Titel – „Augenblicke“ – versehen, bringt unter Beifügung leichter Latino-Einflüsse und Vertiefung des Besinnlichkeits-Faktors in den Balladen mehr vom selben. Was okay ist, weil die Musik der Roten Augen ähnlich jener Wandas, in deren Fahrwasser sie sich hin und wieder und offensichtlich nicht ungern herumtreiben, recht abnützungsresistent ist. Auch die Problemzone des Debütalbums ist, freilich in abgemilderter Form, auf Album Nummer zwei noch auszumachen: Bisweilen verliert die Musik in ihrer Vielfalt den Fokus.
Geschenkt.

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Schon der Auftakt ist imposant: „Ich warte nicht mehr auf den Sommer“ steigt Sänger und Songschreiber Matthias Krejan ohne Instrumental-Intro ein, dann erst scheppert das songtragende Riff los, und Krejan fährt lässig fort: „Ich mache alles von der Couch aus.“ „Handy Dandy“ heißt der Opener, der, wie in der „Kleinen Zeitung“ bemerkt wurde, nicht zufällig den selben Titel trage wie ein Song von Bob Dylan (vom Album „Under The Red Sky“). Allerdings gibt es im Englischen die Bezeichnung Handy als Synonym für ein Mobiltelefon nicht, dort steht es für „nützlich“, „praktisch“. Im Rote-Augen-Song aber ist mit „Handy“ definitiv ein Smartphone gemeint und das wiederum im geläufigen Sinn, dass es die (Verbindung zur) Welt bedeutet. Was das faktisch mit Dandytum zu tun hat, lässt der recht reduzierte Text zwar offen, aber vielleicht liegt just im Rätsel der Reiz des Ganzen.

Kaliber dieser Art haben die „Augenblicke“ noch einige aufzuwarten. Eine ist die Vorabsingle „Ich bin ein altes Schiff“, die von einem prägnanten Klavinet-Intro à la Stevie Wonders „Superstition“ in einen trägen Südstaaten-Groove übergeht, der inhaltlich Finalität mit einer Ahnung von Unendlichkeit konterkariert.

Im Kontrast – diesfalls zwischen dramatischem Titel und denkbar prosaischer musikalischer und verbaler Form – gefällt sich auch der Mitsing- und Mitklatsch-Hadern „Zwischen Tanz und Tod“, während in der eindringlichen Ballade „Tango der Lethargie“ richtig in die Vollen gegangen wird: „Tanz mit mir durch die Hallen der Lethargie“ appelliert der abgeklärte, um die 40 Jahre alte Krejan, der früher seine Lebensweisheiten in den Bands The Incredible Staggers oder Sado Maso Guitar Club auf Englisch transportiert hat, in zartestem melodischem Schmelz im geschmackvollen Wechselspiel von akustischen und elektrischen Gitarren mit nicht zu aufdringlichen Streichern. „Hinter dem Horizont setzt du geschickt den nächsten Schritt / und wenn die Euphorie zieht, dann wechseln wir zum Ritt“, heißt es im Weiteren so bedeutungsschwanger wie buchstäblich jenseitig.
So was muss man sich erst einmal trauen, aber wenn man lange genug verschiedene Dinge ausprobiert hat, geht das schon.

Album Releaseshow am 12.04 beim StyrianSounds Festival Graz; live in Wien 04.05, Chelsea

Der Uhrturm zeigt, was es geschlagen hat: Rote Augen aus Graz. Foto: Krieglfotografie

Der Uhrturm zeigt, was es geschlagen hat: Rote Augen aus Graz. Foto: Krieglfotografie

 

Rote Augen: Augenblicke (Alte Dame Records)

Kontraste musikalischer wie inhaltlicher Art prägen das zweite Album der Grazer Band Rote Augen.